Die Abgeordneten hielten Plakate in die Luft. Parlamentspräsident Norbert Lammert sah darin einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung.

Berlin. Die Debatte im Bundestag über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist von einem Eklat überschattet worden. Bundestagspräsident Norbert Lammert schloss am Freitag die Linksfraktion von der Sitzung aus, weil sie mit Protestplakaten gegen den Militäreinsatz demonstriert hatte. Die Politiker der Linken waren geschlossen von ihren Plätzen aufgestanden und hatten Dutzende Plakate mit Namen von Opfern der tödlichen Bombenangriffe Anfang September auf zwei Tanklaster am Kundusfluss hochgehalten. Der CDU-Politiker Lammert schickte „die Beteiligten“ der Protestaktion wegen eines Verstoßes gegen die Geschäftsordnung des Bundestags aus dem Saal. Die Linke ist dabei auch von der Abstimmung über das Mandat ausgeschlossen. Das sagte der Sprecher der Linksfraktion, Hendrik Thalheim, in Berlin. „Der Ausschluss betrifft die Sitzung heute. Das heißt: alle Tagesordnungspunkte und auch die Abstimmung“, sagte Thalheim.

„Deutschland ist an einem Krieg gegen die einfache Bevölkerung in Afghanistan beteiligt“, hatte die Linkspolitikerin Christine Buchholz in ihrer Rede vor dem Bundestag unmittelbar zuvor kritisiert. Die Abgeordneten entscheiden am Freitag über die Erhöhung der Mandatsobergrenze von bisher 4500 auf künftig 5350 Soldaten. Die Zahl der Ausbilder für die afghanischen Sicherheitskräfte soll von 280 auf 1400 steigen, die zivilen Wiederaufbauhilfe wird auf 430 Millionen Euro verdoppelt. Bei dem von einem deutschen Offizier befohlenen Luftangriff auf zwei gestohlene Tanklaster waren im September vergangenen nach Angaben der Nato 142 Menschen, darunter viele Zivilisten ums Leben gekommen.

Im Kundus-Untersuchungsausschuss war am Donnerstag ein heftiger Streit über die weitere Zeugenvernehmung ausgebrochen. Vertreter der Opposition warfen Union und FDP in Berlin Rechtsbruch vor und drohten mit einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Grüne, SPD und Linke wollen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) möglichst schnell anhören und sehen sich darin durch die Regierung blockiert. Guttenberg soll zusammen mit seinem Vorgänger Franz Josef Jung erst am 25. März vor den Ausschuss treten.

Die Opposition pocht bei dem Streit darauf, dass bei einer Uneinigkeit über die Reihenfolge der nächsten Zeugen das Reißverschlussverfahren gilt, also jede Seite jeweils einen Zeugen vorladen darf. Schwarz-Gelb verwies hingegen unter anderem auf den Untersuchungsauftrag. Dieser könne nur erfüllt werden, wenn zunächst maßgebliche Mitarbeiter gehört würden. Union und FDP wollen deshalb zunächst am 18. März den ehemaligen Staatssekretär Peter Wichert und Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hören, die beide wegen der Kundus-Affäre ihre Ämter niederlegen mussten.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sprach von einem „intensiven Konflikt“ mit den Koalitionsparteien. Die Regierung verletze massiv parlamentarische Rechte und habe offenbar Angst, dass Guttenberg gehört werde, bevor seine ehemaligen Mitarbeiter gehört worden seien. Für die Linkspartei erklärte der Abgeordnete Jan van Aken, die Regierung sei ganz offensichtlich nervös. Alle Rechtsgutachten bestätigten, dass ein Reißverschlussverfahren gängige Praxis sei. Grünen-Obmann Omid Nouripour sagte, Guttenberg dringe öffentlich auf schnelle Aufklärung. In diesem Punkt sei er nach den aktuellen Vorgängen aber nicht mehr glaubwürdig.

Nach Informationen von „Stuttgarter Nachrichten“ und „Kölnischer Rundschau“ (Freitagausgabe) sollen das Kommando Spezialkräfte (KSK), der Bundesnachrichtendienst (BND) und US-Spezialkräfte den verantwortlichen Oberst Georg Klein zu dem tödlichen Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster gedrängt haben. Demnach befanden sich in der Nacht zum 4. September bis zu sechs Beteiligte mehr als sonst üblich im Leitstand der sogenannten Task Force 47, von dem aus Klein den Einsatzbefehl gab. Der Deutsche will diese Personen nach eigenem Bekunden nicht gekannt haben; es soll sich aber um Amerikaner und um BND-Mitarbeiter gehandelt haben.

Grünen-Obmann Nouripour schloss nicht aus, dass sich die Opposition auf eine Ausweitung des Untersuchungsauftrages verständigen könnte. Der Abgeordnete erhob außerdem schwere Vorwürfe: Die Original-Berichte über das Bombardement weichen demnach in „substanziellen Punkten“ erheblich von der deutschen Übersetzung ab. Teilweise seien wechselseitig Fakten weggelassen oder ergänzt worden. Außerdem habe der Ausschuss bisher nur sechs Aktenordner mit Material bekommen. Er habe Guttenberg die Missstände in einem Brief mitgeteilt, sagte Nouripour.