SPD-Chef Gabriel greift Minister Guttenberg (CSU) frontal an. Der will auch mit gemäßigten Taliban reden.

Hamburg/Berlin/Kundus. Während sich die Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan auf ein Weihnachtfest in sehr gefährlicher Lage vorbereiten, eskaliert auf ihrem rücken der politische Streit der Parteien in Berlin über die Umstände der Kundus-Affäre. SPD-Chef Sigmar Gabriel sorgte für Empörung bei den Regierungsparteien, indem er Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Feigheit vorwarf. Guttenberg stelle sich in der Affäre um den Bombenangriff von Kundus mit bis zu 142 Todesopfern am 4. September nicht vor die Soldaten, sondern verstecke sich hinter ihnen, hatte Gabriel in Interviews gesagt. "Das nenne ich feige." Der SPD-Politiker fügte hinzu: "Wer von unseren Soldaten Tapferkeit fordert, darf sich als Minister nicht in Ausreden flüchten." Guttenberg solle im Kundus-Untersuchungsausschuss notfalls unter Eid aussagen müssen, verlangte der SPD-Chef. Den Soldaten sei nicht damit geholfen, wenn "ihr oberster Dienstherr im Bundestag kein Vertrauen mehr findet".

Gabriel hat zudem erklärt, seine Partei werde eine Truppenaufstockung über die bisherige Mandatsgrenze hinaus nicht unterstützen. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

Dazu sagte die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger, die SPD wolle "sich davonstehlen". Aber auch FDP-Chef Guido Westerwelle hat sich noch einmal kritisch gegenüber der von den USA und der Nato geforderten Truppenaufstockung am Hindukusch ausgesprochen. Militär könne den zivilen Aufbau nicht ersetzen, sagte Westerwelle der "Saarbrücker Zeitung". "Wenn die Afghanistan-Konferenz Ende Januar eine reine Truppenstellerkonferenz werden würde, bräuchte man nicht hinzufahren", betonte der Freidemokrat. Nach Angaben der "Leipziger Volkszeitung" sind jedoch bereits Experten im Verteidigungsministerium damit beschäftigt, Truppen- und Ausrüstungsplanungen auf Basis einer Anforderung von 2500 weiteren Soldaten bis zur Konferenz fertigzustellen. Für eine Verstärkung über 4500 Mann hinaus wäre ein neues Mandat des Bundestags erforderlich.

Guttenberg unterstrich noch einmal seine grundsätzliche Bereitschaft, Gespräche mit gemäßigten Taliban aufzunehmen. Das Abschneiden jeglicher Kommunikation mit den Aufständischen halte er "mittlerweile nicht mehr für allein gültig", sagte der Minister. Allerdings müssten bestimmte Kriterien für solche Kontakte gelten. Doch "nicht jeder Aufständische bedroht gleich die westliche Gemeinschaft".

Den Vorschlag, mit gemäßigten Taliban zu reden, hatte vor zwei Jahren schon der damalige SPD-Chef Kurt Beck unterbreitet. Guttenbergs Amtsvorgänger Franz Josef Jung (CDU) hatte dies als "völlig abwegig" bezeichnet.

Die Frage, wer in Berlin zu welchem Zeitpunkt über zivile Opfer des Bombenangriffs vom 4. September informiert war, konzentrierte sich weiter auf den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Nachdem der "Stern" und die ARD berichtet hatten, dass Steinmeier schon im Laufe des 4. September über getötete Zivilisten informiert worden sei, sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Philipp Mißfelder in der ARD, die SPD habe sich in den vergangenen Tagen komplett auf Guttenberg eingeschossen, "und zwar auch in einem Ton, der absolut unangemessen war". Er würde nun gern von Gabriel wissen, wie er dazu steht, welche Maßstäbe er an Herrn zu Guttenberg und welche Maßstäbe er an Steinmeier anlegt. "Denn offenbar hat das Auswärtige Amt das gewusst", sagte Mißfelder. Es ginge um "eine Gesamtverantwortung der Regierung, die zum Zeitpunkt der Kundus-Vorfälle im Amt war". In der "Frankfurter Rundschau" bestritt Steinmeier, dass das Auswärtige Amt "exklusive" Informationen über Opferzahlen besessen habe.

Nach einer neuen "Stern"-Umfrage lehnen inzwischen 75 Prozent der Deutschen einen Rücktritt Guttenbergs ab, nur 14 Prozent votierten dafür. Sogar 71 Prozent der Sozialdemokraten und 81 Prozent der Grünen sind gegen einen Rücktritt.