Hamburg/Brüssel. Der Streit um die Vertriebenenstiftung und die Berufung von Erika Steinbach CDU) wird immer absurder. Nach einem Brief von Unionsabgeordneten des Europaparlaments an Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wundert man sich im Auswärtigen Amt über die Verzerrung der Fakten.

So hatten Europaabgeordnete um Daniel Caspary (CDU) sowie Markus Ferber und Monika Hohlmeier (beide CSU) gefordert, man möge doch einmal die Hintergründe und Lebensläufe der polnischen Beiratsmitglieder untersuchen. Der Brief liegt dem Abendblatt vor. Die 16 Abgeordneten wollen wissen, ob die Polen im Beirat schon einmal wegen "Taten, Aktivitäten oder Äußerungen" aufgefallen sind, die dem Ansehen der Stiftung schaden könnten. Das Problem: Es gibt gar keine Polen im Beirat der Vertriebenenstiftung. Unter den Mitgliedern sind Bundestagsabgeordnete, der Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), Kirchenvertreter, der Zentralrat der Juden sowie Historiker.

Die liberale Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin sieht in dem Versuch ihrer Unionskollegen ein verzweifeltes Manöver: "Das ist ein peinlicher Versuch der Aufrechnung ohne jede Sachkenntnis", sagte sie dem Abendblatt über den Brief an Westerwelle. Westerwelle ließ sein Ministerium mitteilen: Die polnische Regierung habe bereits im Frühjahr 2008 vor der Gründung der Vertriebenenstiftung auf eine förmliche Beteiligung verzichtet. Die Stiftung werde als deutsches Projekt betrachtet. In polnischen Medien war die Vertriebenen-Vorsitzende Steinbach als Nazi-Domina dargestellt und verunglimpft worden. Westerwelle, der Steinbach als Stiftungsratsmitglied ablehnt, war in seiner ersten Amtshandlung nach Polen gereist.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, hatte gesagt: "Westerwelle muss sich ernsthaft fragen, ob er Außenminister Deutschlands oder Polens ist." Beide hatten sich getroffen, um über die Differenzen zu reden - aber ohne Ergebnis.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will an Steinbach festhalten. Der Streit belastet die schwarz-gelbe Koalition stärker als gedacht. Westerwelle hatte in Polen gesagt: Deutschland werde "alles unterlassen", was dem Versöhnungsgedanken zwischen Polen und Deutschen entgegenstehe.