Die Verbrecher nutzen neueste Technologien, die Polizei hinkt hinterher. Das BKA will auch Internet-Telefonie überwachen.

Wiesbaden. Wo Staaten zerfallen, bildet sich nicht nur der Nährboden für Terrorismus, sondern auch für Organisierte Kriminalität. Sie droht nicht erst, in die westlichen Staaten einzudringen, sie ist längst da – und die Ermittler haben immer größere Schwierigkeiten, die ausgefeilten kriminellen Strukturen zu durchdringen.

Mit einer eindringlichen Rede warnte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, vor mehr als 400 internationalen Sicherheitsexperten bei der traditionellen Herbsttagung des BKA in Wiesbaden vor einem Scheitern der Bekämpfung. „Den Sicherheitsbehörden gelingt es nur bedingt, bestimmten weltweiten Kriminalitätsphänomenen nachhaltig entgegenzutreten“, sagte Ziercke. Er beklagte die immer größere Schere zwischen den technischen Vernetzungsmöglichkeiten der Kriminellen über das Internet und den Konzepten, die die Polizei dagegensetzen kann. „Ohne den Rückgriff auf IP-Adressen ist die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nicht möglich“, sagte Ziercke.

Er forderte damit, an der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung festzuhalten, die derzeit den Rückgriff auf die technischen Verbindungsdaten für sechs Monate ermöglicht. „Auch die Überwachung der zunehmenden Internet-Telefonie muss zur Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität zur Strafverfolgung möglich sein“, sagte Ziercke.

Organisierte Kriminalität (OK) hat viele Gesichter. Wer wissen will, was sie bewirkt, muss nur auf die stinkenden Müllberge Süditaliens blicken. Die so genannte Öko-Mafia hat dort nach Zierckes Angaben allein im Jahr 2007 mit illegalen Geschäften in der Müll- und Bauwirtschaft einen Umsatz von 17 Milliarden Euro gemacht. „In Italien hat die Mafia Funktionen des Staates übernommen“, sagte Ziercke. Die italienischen Mafia-Clans seien ein „gravierendes Problem“, dessen europaweite Bekämpfung „mehr als angezeigt“ sei.

Wenn die Mafia in große Teile eines Staates eindringt, dann zahlen die Bürger das unter anderem mit einem Aufweichen ihrer Rechte, überhöhten Steuern und Gebühren. Der in Deutschland ermittelte Schaden durch Organisierte Kriminalität lag im vergangenen Jahr bei 691 Millionen Euro. Auch wenn in Deutschland die Zahl der OK-Verfahren zurückgehe (2008 wurden 575 Verfahren bearbeitet), sei das kein Grund zum Aufatmen, so Ziercke.

Vielmehr liege das daran, dass die Ermittler immer größere Schwierigkeiten hätten, in die kriminellen Strukturen einzudringen und sie auch zu erkennen. Die Delikte seien so „verfeinert“ und hochkonspirativ angelegt, dass manchmal kaum noch zu erkennen sei, was legal oder illegal ist.

„Transnationale Kriminalität ist ein globaler Wirtschaftsfaktor ersten Ranges“, warnte Ziercke. Was dagegen hilft? Besser internationale Vernetzung auch für die Sicherheitsbehörden.