Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Olaf Scholz widerspricht Altkanzler Helmut Schmidt . Der hatte im Abendblatt-Interview Kritik geübt.

Dresden. Am Rande des SPD-Parteitags sprach der frisch gewählte stellvertretende Parteivorsitzende Olaf Scholz mit dem Abendblatt. Der Hamburger hält den Neuanfang nach der Niederlage bei der Bundestagswahl für gelungen - und tritt der Wahrnehmung entgegen, die SPD sei nicht auf der Höhe der Zeit.

Hamburger Abendblatt: Die SPD hat eine neue Führung gewählt - ist die Krise überwunden?

Olaf Scholz: Die SPD hat mit der Wahl des neuen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und der neuen Parteiführung einen Neuanfang gemacht und sich in einer offenen Debatte mit Versäumnissen und Fehlern beschäftigt. Das schafft die Grundlage dafür, dass wir uns wieder berappeln.

1. DAS INTERVIEW MIT HELMUT SCHMIDT IM WORTLAUT

2. MISSION IMPOSSIBLE? - Olaf Scholz führt die Hamburger SPD

Abendblatt: Altkanzler Helmut Schmidt hat der SPD im Abendblatt-Interview bescheinigt, nicht auf der Höhe der Zeit zu sein. Befassen sich die Sozialdemokraten zu wenig mit aktuellen Themen wie Integration?

Scholz: Die SPD ist die Partei, die am weitesten vorne ist, wenn es um Zuwanderung und Integration geht. Die SPD hat dafür gesorgt, dass sich das Staatsangehörigkeitsrecht und das Zuwanderungsrecht heute international sehen lassen können. Jetzt muss die Optionspflicht fallen. Wir wollen, dass sich Kinder von Zuwanderern nicht mit 18 zwischen zwei Staatsangehörigkeiten entscheiden müssen. Außerdem ist dafür zu sorgen, dass diese Kinder auf dem Bildungssektor gerechte und realistische Chancen auf Teilhabe erhalten. Allein in Hamburg verlassen pro Jahr 4000 von ihnen die Schulen ohne Abschluss - das ist ein Armutszeugnis für die Bildungspolitik der Stadt.

Abendblatt: Worauf kommt es in den nächsten Monaten an?

Scholz: Wir müssen eine starke Opposition liefern gegen eine Bundesregierung, die sich selbst "christlich-liberal" nennt und die zugleich die Solidarität in der Gesundheitsversorgung aufgekündigt hat und die Kostensteigerungen allein den Arbeitnehmern aufbürden will.

Abendblatt: Nur knapp 70 Prozent der Delegierten haben für Andrea Nahles als neue SPD-Generalsekretärin gestimmt. Will die Partei keinen Linksruck?

Scholz: Das Ergebnis sollte man nicht überbewerten. 70 Prozent sind ziemlich viel. Und: Mit "links" oder "rechts" hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.

Abendblatt: Wann wird die SPD im Bund wieder regieren?

Scholz: Es wäre überheblich, den Zeitpunkt vorherzusagen. Wir strengen uns an, dass es möglichst schnell geht, aber wir verschaffen uns erst einmal die nötige Kondition für den nächsten langen Lauf. Wir sind sozusagen im Trainingslager.

Abendblatt: Wann wird es die erste rot-rote Koalition auf Bundesebene gebe n?

Scholz: Das ist eine Frage, die sich an die Partei Die Linke richtet, die heute Positionen vertritt, mit denen sie - und so sieht das von links nach rechts jeder von uns - für eine Koalition mit der SPD auf Bundesebene nicht infrage kommt. Mit ihrer Haltung zur Nato und zur Europäischen Union bringt Die Linke dafür nicht die notwendigen Voraussetzungen mit.

Abendblatt: Sie haben gerade den SPD-Landesvorsitz in Hamburg übernommen. War Ihnen klar, wie schwierig diese Aufgabe sein würde?

Scholz: Ja.

Abendblatt: Haben Sie inzwischen schon mal auf den Tisch gehauen?

Scholz: Jeder hat gehört, was ich in meiner Parteitagsrede Anfang November gesagt habe, die dann von allen bejubelt worden ist. Ich erwarte einen fairen Umgang untereinander. Wer sich nicht an diese Regel hält, muss mit scharfen Konsequenzen rechnen. Ganz aktuell gilt das für den Fall, dass Sozialdemokraten mit gefälschten Dokumenten den früheren Landesvorsitzenden Petersen denunziert haben sollen. Mit dem Laissez-faire ist in Hamburg jedenfalls Schluss.