Angela Merkel spricht als erste Bundeskanzlerin in Washington vor beiden Häusern des amerikanischen Kongresses.

Berlin. Sie wird nicht "die erste Bundeskanzlerin seit Konrad Adenauer" sein, die vor beiden Häusern des amerikanischen Kongresses spricht - Angela Merkel wird die Erste sein, Punkt. Adenauer hatte es jeweils immer nur mit einem der beiden zu tun, Senat oder Repräsentantenhaus; und es waren die Staatsoberhäupter Theodor Heuss (1958), Karl Carstens (1983) und Richard von Weizsäcker (1992), denen die Ehre zuteil wurde. Die Demokratin Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, hatte die von ihr bewunderte Kanzlerin schon lange einladen wollen. Sie wird diese spezielle Sitzung morgen gemeinsam mit Vizepräsident Joe Biden leiten.

Merkel hat gern angenommen, wollte aber einen guten, am liebsten einen feierlichen Anlass abwarten. Das 20. Jubiläum des Mauerfalls erschien da als passende Gelegenheit. "Ich werde Danke sagen", hat Angela Merkel in ihrem wöchentlichen Podcast angekündigt, speziell an den damaligen amerikanischen Präsidenten George Bush, der das Ganze "mit großer Begeisterung und mit viel Zuneigung" begleitet habe. "Ich freue mich auch auf das Wiedersehen mit Barack Obama", so die Kanzlerin weiter, "es ist eine Reise zu wirklichen Freunden."

Nach der Rede wird es einen Empfang zu Ehren der Kanzlerin geben; die Deutschen haben einige Wünsche geäußert, wen sie gern treffen würden. Gesprächspartner sollen vor allem etwas zur Wirtschafts- und Finanzkrise sagen können - es ist das Thema, das die Kanzlerin ganz oben auf ihrer Agenda stehen hat. Inzwischen haben für den Internationalen Währungsfonds dessen Vorsitzender Dominic Strauss-Kahn zugesagt und für die Weltbank deren Präsident Robert Zoellick. Neben der 20-minütigen Rede vor dem Kongress wird es auch ein ganz normales Arbeitsgespräch im Oval Office geben, bei dem auch Bauchschmerzen der einen oder anderen Seite zur Sprache kommen werden.

Beim Klima kommt es den amerikanischen Demokraten zupass, dass hier eine weltweit anerkannte Politikerin für den Klimaschutz wirbt, die - als Vertreterin einer eher konservativen Partei - auch "republikanisch" spricht. Merkel wiederum hat in Brüssel schon angekündigt, dass sie von den Amerikanern, die das Kyoto-Protokoll bisher nicht ratifiziert haben, jetzt einmal eine echte Verbindlichkeit erwartet. Die Hartnäckigkeit aller amerikanischen Administrationen in Sachen Klima, seien es Demokraten oder Republikaner, hat Merkel schon vor 15 Jahren zu spüren bekommen, als sie Unterhändlerin für Kyoto war. Unter Präsident George W. Bush hatte man sich darauf zurückgezogen, dass die Schwellenländer - allen voran China und Indien - nicht zur CO2-Reduktion bereit wären. Die Befürchtung in Europa ist nun, dass die USA mit China ein eigenes, wenig forderndes Abkommen treffen werden.

Was die Finanz- und Wirtschaftskrise angeht, hat Merkel Sorge, dass man wegen der sich erholenden Konjunktur die Krise schon halb vergessen hat. "Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch nicht überwunden, und wir haben auch noch nicht dafür gesorgt, dass sich so etwas nicht wiederholen kann", glaubt die Kanzlerin.

Was Afghanistan betrifft, steht die Entscheidung über eine neue amerikanische Strategie noch aus. Folgt man dem Rat des amerikanischen Oberbefehlshabers der Nato- und US-Truppen am Hindukusch, General McChrystal, der mindestens 40 000 zusätzliche Truppen vom Pentagon fordert? Die Regierung Merkel ist grundsätzlich bereit, ihr Engagement beispielsweise in Sachen Polizeiausbildung zu verstärken - will aber das Zustandekommen einer legitimierten afghanischen Regierung abwarten.