Hermann Gröhe im Abendblatt-Interview über seine persönliche Verbindung zur Öko-Partei, Koalitionsmöglichkeiten im Bund und Steuer-Rebellen.

Berlin. Abendblatt:

Herr Gröhe, wie groß ist Ihre Zuversicht, dass Sie ein erfolgreicher CDU-Generalsekretär sein werden?

Hermann Gröhe:

Ich bin guter Dinge, ohne übermütig zu sein.

Abendblatt:

Laurenz Meyer hatte seinerzeit eine originellere Antwort parat. Er sagte, einen weiteren Missgriff könne sich die Parteivorsitzende nicht leisten ...

Gröhe:

Mein Vorgänger hat einen ausgezeichneten Job gemacht. Es gibt also keinerlei Grund für Gags auf seine Kosten.

Abendblatt:

Ist Ronald Pofalla Ihr Vorbild - oder sehen Sie sich eher als Querdenker wie Heiner Geißler?

Gröhe:

Jede Zeit braucht ihren Generalsekretär. Ich bin weder Heiner Geißler noch Ronald Pofalla, ich bin Hermann Gröhe! Meine Aufgabe wird es sein, zusammen mit der Parteivorsitzenden die CDU programmatisch und öffentlich zu positionieren. Darauf freue ich mich.

Abendblatt:

In der Partei wird Ihnen ein hoher Pofalla-Faktor nachgesagt ...

Gröhe:

Uns verbindet, dass wir beide aus dem Rheinland kommen und ein durchaus liberales Gesellschaftsbild haben. Zudem sind wir befreundet. Zugleich sind wir eigenständige und durchaus unterschiedliche Persönlichkeiten. Insofern zählt jetzt der Gröhe-Faktor.

Abendblatt:

Die Union hat das schlechteste Wahlergebnis seit dem Krieg eingefahren. Wann kommt die angekündigte Analyse?

Gröhe:

Das Wahlergebnis der Union lässt zweifelsohne Luft nach oben. Allerdings konnten wir das große Ziel einer bürgerlichen Mehrheit erreichen. Das ist aus der Großen Koalition heraus ein riesiger Erfolg. Nichtsdestotrotz werden wir, wie versprochen, eine Wahlanalyse erarbeiten, die auf der Klausurtagung unseres Bundesvorstands im Januar intensiv diskutiert wird.

Abendblatt:

CDU-Ministerpräsidenten machen Front gegen die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, die Steuern massiv zu senken. Haben sie Aussicht auf Erfolg?

Gröhe:

Eine Reihe von Ministerpräsidenten war an den Koalitionsverhandlungen beteiligt und hat den Plänen zugestimmt. Zudem haben die Parteigremien den Vertrag einhellig gebilligt. Wir haben uns in der Union also auf breiter Front für die Entlastungspläne ausgesprochen. Dieser Wille sollte nicht bezweifelt werden.

Abendblatt:

Was im Koalitionsvertrag steht, wird eins zu eins umgesetzt?

Gröhe:

Der Koalitionsvertrag gilt. Es wäre absolut falsch, vorzeitig irgendwelche Abstriche zu machen.

Abendblatt:

Weder beim Zeitpunkt noch bei der Höhe der Entlastungen?

Gröhe:

Es gilt der Koalitionsvertrag.

Abendblatt:

Wie ernst nehmen Sie die Mahnung von Bundespräsident Köhler zum Schuldenabbau?

Gröhe:

Die Union hat dieses Thema immer sehr ernst genommen. Deshalb haben wir die Verankerung der Schuldenbremse ins Grundgesetz vorangetrieben. Der Grundsatz der Nachhaltigkeit gilt in der Finanzpolitik genauso wie in der Ökologie.

Abendblatt:

Wie ernst nimmt Schwarz-Gelb den Klimaschutz?

Gröhe:

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits in ihrer ersten Amtszeit das Thema Klimaschutz in den Mittelpunkt gerückt. Daran wird sich in einer schwarz-gelben Koalition nichts ändern. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist für die Kanzlerin und ihren neuen Umweltminister Norbert Röttgen von größter Bedeutung.

Abendblatt:

Wenn Sie auf erneuerbare Energien setzen - warum lassen Sie dann Atomkraftwerke länger laufen?

Gröhe:

Wir haben im Koalitionsvertrag die Bereitschaft zur Laufzeitverlängerung erklärt. Das ist keine Vorwegnahme der Entscheidung. Über die genaue Ausgestaltung einer möglichen Verlängerung muss noch geredet werden, gerade mit den Kraftwerksbetreibern.

Abendblatt:

Der Ausstieg aus dem Atomausstieg ist noch nicht ausgemacht?

Gröhe:

Die CDU versteht die Kernenergie als Brückentechnologie, so steht es auch in unserem Grundsatzprogramm. Das bedeutet erstens: Es werden keine neuen Kernkraftwerke gebaut. Zweitens: Sicherheit steht an erster Stelle. Und drittens: Die Gewinne aus einer Laufzeitverlängerung müssen die Energiekonzerne in erneuerbare Energiequellen und gegebenenfalls in eine Senkung der Stromkosten investieren.

Abendblatt:

Kann es sein, dass sich gar nichts ändert?

Gröhe:

Die Koalition hat sich eindeutig auf die Bereitschaft verständigt, Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern - nicht mehr und nicht weniger.

Abendblatt:

Herr Gröhe, Sie waren Mitglied der legendären Pizza-Connection, die einst von jungen Grünen und Christdemokraten gegründet wurde. Wie sehr hat Sie diese Verbindung geprägt?

Gröhe:

In den Treffen kam in erster Linie eine gemeinsame Prägung jüngerer Bundestagsabgeordneter von Union und Grünen zum Ausdruck. Wir hatten ein ähnliches Lebensgefühl. Wir lasen dieselben Bücher, hörten dieselbe Musik, sahen dieselben Kinofilme. Diese kulturelle Nähe half uns, mit politischen Unterschieden umzugehen.

Abendblatt:

Kulturelle Nähe?

Gröhe:

Es stand keine politische Agenda bei den Treffen im Vordergrund. Sie waren zum größten Teil privat. So haben mich mehrere grüne Kollegen zu ihrer Hochzeit eingeladen. Damals haben sich manche in der CDU noch gewundert, dass Grüne überhaupt heiraten. Denen war entgangen, wie bürgerlich Teile der Grünen geworden sind. Beide Parteien haben sich über die Zeit verändert. Das hat CDU und Grünen neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit eröffnet.

Abendblatt:

Welchen Eindruck haben Sie von Schwarz-Grün in Hamburg?

Gröhe:

Einen wirklich guten. Ich bin seit vielen Jahren mit Ole von Beust freundschaftlich verbunden und schätze ihn sehr. Anja Hajduk habe ich im Deutschen Bundestag und auch bei unseren schwarz-grünen Treffen näher kennengelernt. Mein Eindruck ist, dass CDU und GAL in Hamburg einander vertrauen. Sie überfordern sich nicht bei schwierigen Themen wie Elbvertiefung oder Schulpolitik. Man hat das gemeinsame Ziel, die Stadt mit ihren enormen Entwicklungsmöglichkeiten weiter nach vorn zu bringen.

Abendblatt:

Schwarz-Grün in Hamburg, Jamaika im Saarland - Modelle auch für den Bund?

Gröhe:

Auf Bundesebene ist die schwarz-gelbe Koalition die richtige Antwort auf die Wirtschaftskrise. Hier stimmt die Grundphilosophie zwischen Union und FDP. Bündnisse mit den Grünen auf Bundesebene sind derzeit kein Thema. Wir liegen inhaltlich zu weit auseinander, sollten aber die weitere inhaltliche Entwicklung der Grünen im Auge behalten.

Abendblatt:

Was beobachten Sie da?

Gröhe:

Bald sind die Grünen in drei Länderregierungen vertreten, zweimal unter Führung der CDU. Sich selbst sehen sie als Partei der linken Mitte, wobei auf Bundesebene linke Töne dominieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Fünfparteiensystem uns nötigt, neue Wege anzudenken. Insofern sollten wir eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht für alle Zeiten ausschließen. Zurzeit gibt es dafür auf Bundesebene jedoch keine Basis.

Abendblatt:

Teilen Sie die Ansicht von Parteifreunden, die CDU müsse dringend ihr Profil schärfen?

Gröhe:

Die CDU muss ihr Profil permanent schärfen, um weiterhin in der Mitte der Gesellschaft verankert zu sein. Meine Aufgabe als Generalsekretär ist es, diesen Prozess voranzutreiben. Um es aber gleich deutlich zu sagen: Profilschärfung bedeutet keinesfalls einen Ruck nach rechts. Profilschärfung bedeutet Klartext, eigene Positionierung, Treue zum Kompass und Offenheit für das reale Leben.

Abendblatt:

Sie sind enger Vertrauter von Angela Merkel. Wohin weist der Kompass der Kanzlerin?

Gröhe:

Angela Merkel steht mit ihrer persönlichen Biografie dafür, dass Veränderung keine Bedrohung ist, sondern Chancen eröffnet. Sie hat einen furchtbaren Bevormundungsstaat hinter sich gelassen und ist beherzt ihren Weg gegangen, fasziniert von der Idee der Freiheit zur Verantwortung. Das ist ein durch und durch bürgerliches Konzept.