Die Junge Union machte am Wochenende bei ihrem Deutschlandtag in Münster ihren Frust über Merkels Abwesenheit deutlich. Die Wut ist groß.

Hamburg/Münster. Erst das schlechte Wahlergebnis der Union, dann die kurzfristige Absage von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel - und nicht einmal eine Videobotschaft: Die Junge Union ließ am Wochenende bei ihrem Deutschlandtag in Münster ihrem Frust über Merkels Abwesenheit freien Lauf.

Der JU-Bundesvorsitzende Philipp Mißfelder, auch Mitglied im CDU-Präsidium, fasste den Unmut der Nachwuchsorganisation von CDU und CSU zusammen: "Ich spüre in unserem Verband eine große Enttäuschung darüber. Die Reaktionen sind heftig", sagte er der "Welt am Sonntag".

Merkel hatte aufgrund der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen auf einen Besuch bei der Parteijugend verzichtet. "Man hat den Eindruck, sie ist zu viel Bundeskanzlerin und zu wenig Parteivorsitzende", gab Oliver Wernersbach vom JU-Landesvorstand Rheinland-Pfalz die Enttäuschung der rund 300 Delegierten wieder. Und Schleswig-Holsteins JU-Chef Rasmus Vöge betonte: "Die Junge Union kann erwarten, dass die Bundeskanzlerin kommt."

Ein Plakat in Münster fragte entsprechend: "Wo bist Du, Angie?" Die Parteibasis fühlte sich wieder an 2005 erinnert, als die Parteichefin schon einmal eine Wahlanalyse versprochen hatte - und die trotzdem nie stattfand. Der für Merkel als Hauptredner eingesprungene Edmund Stoiber (CSU) verteidigte Merkels Absage. Er kenne die CDU-Chefin als "diskussionsfreudig", sie werde sich der nötigen Wahlanalyse nicht entziehen. Die Delegierten mahnte der frühere bayerische Ministerpräsident, die Bedeutung der Koalitionsverhandlungen anzuerkennen.

Auch Vöge mahnte den eigenen Verband zur Gelassenheit. "Die Junge Union sollte selbstbewusst mit dieser Absage umgehen", sagt er dem Abendblatt. "Viel wichtiger als die erhoffte Aussprache mit uns ist der Erfolg bei den Koalitionsverhandlungen." Doch auch in diesem Punkt ist der Unionsnachwuchs bereits verstimmt. "Unser Bundesvorsitzender Mißfelder sitzt in keiner der Verhandlungsgruppen für den Koalitionsvertrag", stellte Vöge enttäuscht fest. "Ich meine, ein Vertreter der Jungen Union gehört in die Koalitionsverhandlungen." Auch von den bisherigen Ergebnissen hat die Junge Union mehr erwartet. "Wir sind nicht zufrieden mit dem Stand der Koalitionsverhandlungen. Noch ist der rote Faden der Union nicht erkennbar", sagte Vöge. "Es gibt keine Entschuldigung mehr. Schwarz-Gelb hat die Mehrheit im Bundestag und Bundesrat. Jetzt ist die Zeit für große Reformen in der Steuer- und Gesundheitspolitik." Und Mißfelder machte deutlich: Mit Schwarz-Gelb habe man die "absolute Wunschkoalition" bekommen. Das müsse sich auch in der Politik auswirken. "Von großkoalitionären Verhaltensmustern müssen wir uns schnell verabschieden", sagte der JU-Chef.

In ihrer gestern verabschiedeten "Münsteraner Erklärung" forderte die JU einen "massiven Kurswechsel in der Ausgabenpolitik" und eine Steuerstrukturreform nach dem Vorbild des dreistufigen Modells des früheren CDU-Fraktionschefs Friedrich Merz. Festhalten will die Parteijugend aber etwa an der Rente mit 67. Diese sei ein wichtiger Schritt in dem Bemühen, die jüngeren Generationen in den sozialen Sicherungssystemen zu entlasten.

Trotz der Absage Merkels beharrt die JU - mit knapp 127 000 Mitgliedern stärker als Grüne und FDP zusammen - weiterhin auf einer Aufarbeitung des zweitschlechtesten Bundestagswahl-Ergebnisses seit 1949. Ein entsprechender Initiativantrag zahlreicher Landesverbände, deswegen "unverzüglich" einen Parteitag einzuberufen, fand einhellige Unterstützung.

Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller forderte am Wochenende Konsequenzen aus dem schwachen Abschneiden der Union. Das Wahlergebnis müsse sorgfältig und intensiver als nach der Wahl 2005 analysiert werden, sagte er der "Bild am Sonntag".

Dagegen wies Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bei seinem Auftritt vor der JU die Kritik am Wahlkampfkonzept und dem schlechten Abschneiden der Union zurück. Es sei "strategisch richtig" gewesen, im Wahlkampf auf Polarisation zu verzichten, sagte von Beust.