Mit Verweis auf die Haushaltslage treiben CDU und CSU die Liberalen in die Enge. Auch bei der inneren Sicherheit gibt es Streit.

Berlin. Zwar markierte der Montag den offiziellen Beginn der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen, doch so richtig ernst wurde es eigentlich erst gestern. Beim ersten Treffen der Facharbeitsgruppe Steuern, Finanzen, Haushalt kamen die Vertreter des zukünftigen Bündnisses zusammen, die die wichtigsten Fragen für die Koalition beantworten können: Welchen finanziellen Spielraum hat die neue Bundesregierung? Und: Kann sie überhaupt Steuerentlastungen verantworten?

Die Ausgangslage bot reichlich Stoff für Konflikte. Die FDP würde mit ihrer bekannten Forderung aus dem Wahlkampf in die Runde gehen. Ihr Ziel: Steuerreform mit einer Entlastung der Bürger um 35 Milliarden Euro. Die Union würde - wenn überhaupt - an ihren schrittweisen Entlastungszielen in Höhe von 15 Milliarden Euro festhalten. Wie entscheidend also die Verhandlungen dieser Gruppe sind, war allein in den vergangenen Tagen an den scharfen Tönen vonseiten der Union zu erkennen. CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter etwa nannte die Steuerpläne der Liberalen "irreal" und die Vorschläge zur Gegenfinanzierung "rechtswidrig oder unsozial". Man könne nicht einfach in bestehende Gesetze eingreifen und zum Beispiel die Kohle-Subventionen kippen, wie es die FDP vorschlage, sagte er der "Neuen Westfälischen".

Als Kampeter gestern dann als einer der ersten Neu-Koalitionäre am Verhandlungsort Hessische Landesvertretung eintraf, redete er fast schon so, als müsse man gar nicht mehr viel verhandeln mit der FDP. "Taschenrechner anstellen, Realität betrachten, und gucken, was geht." Und die Schuldenbremse im Grundgesetz dürfe man auch nicht vergessen, sagte er. Auch der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) richtete unmissverständliche Worte in Richtung FDP. Deren Steuerentlastungswünsche von 35 Milliarden Euro seien "momentan nicht umsetzbar". Dass man die Familien entlasten wolle, da herrsche ja Einigkeit bei Union und FDP.

Der liberalen Gruppe schien in Anbetracht derart markiger Ansagen schon zu Beginn die Lust am Verhandeln vergangen zu sein. FDP-Finanzexperte Otto Fricke gab nur ein "Der Solms sagt was" von sich, um schnell in die Landesvertretung zu gelangen. Doch "der Solms", der zehn Minuten später eintraf, sagte auch nichts. Der liberale Verhandlungsführer Hermann Otto Solms hatte mit dem Chef der Unionsgruppe, Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, vereinbart zu schweigen. Der hielt sich zwar daran, nur der Rest der Unionsgruppe eben nicht.

Der Tag hatte für die FDP schon denkbar schlecht begonnen. Die EU-Kommission hatte gegen Deutschland ein Defizitverfahren eingeleitet. Ausgerechnet Brüssel begrenzt nun die Möglichkeiten von Union und FDP für Steuersenkungen. Hoffnung für mehr Spielräume machen nur noch die verbesserten Konjunkturaussichten. Die Regierungsprognose am 21. Oktober wird auch den Unterhändlern Klarheit bringen.

Vor allem zwischen CSU und FDP bahnten sich gestern weitere Konflikte an, etwa über die Einführung eines Betreuungsgeldes für Kleinkinder. Die CSU will mit 150 Euro im Monat Familien helfen, die ihre Kinder bis zum Alter von drei Jahren zu Hause betreuen. Die FDP lehnt das strikt ab. Auch das Genmais-Anbauverbot wird zum Streitpunkt. Die CSU beharrte gestern auf dem Verbot des Anbaus der genveränderten Maissorte MON 810. Die FDP forderte dagegen, dass das Verbot wieder aufgehoben und der Anbau der Gen-Stärkekartoffel Amflora unterstützt wird.

Auch die FDP-Forderung, die Kompetenzen des Bundeskriminalamts im Kampf gegen den Terror wieder einzuschränken, stieß weiter auf scharfe Ablehnung der Union. Die Sicherheitsgesetze der letzten Jahre seien nicht aus Übermut verabschiedet worden, sondern wegen der dramatisch veränderten Sicherheitslage, sagte CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach der "Passauer Neuen Presse".

In einem Punkt gab es zumindest Einigkeit: Die neue Koalition will nicht wie zuvor angekündigt die Lkw-Maut senken, aber auch nicht bis 2013 erhöhen.