Siebenhundertdreimillionenachthunderttausend. Das ist nicht nur eine große Zahl, sie ist auch schwer auszusprechen. So groß, das hatte der 18 Jahre alte Abiturient Anton Börnert ausgerechnet, ist die Halbwertszeit von Uran-235.

Hamburg/Bremen. Dieses Ergebnis will er unbedingt in einer Frage an den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle unterbringen. Deswegen lässt er sie noch ein paar Mal über seine Zunge rollen, bevor die Visagistin Vivienne Korn sein Gesicht für die hellen Scheinwerfer, die das Interview beleuchten sollen, vorbereitet. Langsam wird es ernst.

Bis dahin sind die 34 Abiturienten des Goethe-Gymnasiums aus Hamburg-Lurup noch ganz cool. Mehr noch als das bevorstehende Interview mit Westerwelle im Bremer Übersee-Museum sind die Schülerinnen und Schüler noch mit den Eindrücken ihrer Studienreisen beschäftigt, von denen sie gerade erst zurückgekehrt sind. Korsika, Barcelona, Dublin - auf der eineinhalbstündigen Busfahrt nach Bremen geht es vor allem darum.

Treffpunkt für das Interview mit FDP-Chef Guido Westerwelle ist das altehrwürdige Bremer Übersee-Museum. Mit seinen Exponaten aus aller Welt gibt es einen ungewöhnlichen Rahmen für das Interview. Einen Eindruck von der gesamten Ausstellung vermittelt die Kuratorin Silke Seybold den Abiturienten in einer einstündigen Führung. Zwischen Samurai und japanischen Teehäusern, Curry-Gerüchen und dem ausgestopften Wasserbüffel "Max" aus Asien steigt die Spannung. Der 18 Jahre alte Mirco Schäfer findet es interessant, ob Westerwelle im Gespräch "genauso rüberkommt" wie bisher im Fernsehen. Jonas Runge kann am Sonntag das erste Mal für den Bundestag wählen und ist im Angesicht dieser Entscheidung "automatisch nachdenklich" geworden. Nun will auch er erleben, wie Westerwelle argumentiert. Noch eine halbe Stunde und alle sind unter dem Dach des Übersee-Museums im Atlas-Saal, der mit seinen Ausstellungsstücken für den Aufbruch Bremens in das Industriezeitalter steht, versammelt. Anton Börnert, Jonas Renner, Melissa Kühn, Svenja Hügel und Eric Wielgoß sowie der Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Claus Strunz, und sein Stellvertreter Matthias Iken, die mit Westerwelle diskutieren werden, sind noch in der Maske. Die ist provisorisch in dem Ausstellungsraum eingerichtet, in dem es eigentlich um die "Bremer Baumwoll-Terminpreise" geht. Zwischen Atlas mit der Welt auf seinen Schultern und einer Göttin des Lichts nehmen die Diskutanten Platz auf den Sitzkissen in der grünen Farbe des Abendblatts.

Westerwelle hätte es gern bequemer. Die Kissen "werden ganz bestimmt nicht mein Sitzmöbel", stellt er fest. Doch seine gute Laune lässt er sich davon nicht verderben.

Gelächter, Beifall. Es ist eine angeregte Diskussion mit hartnäckigen Nachfragen der Schülerinnen und Schüler. Sie machen es dem FDP-Chef nicht leicht - und er es ihnen auch nicht. "Das ist ein begabter Redner", stellt Mirco Schäfer hinterher über Westerwelle fest, aber bleibt skeptisch: "Er hat manchmal zu Teilaspekten ausführlich geantwortet, dafür aber anderes übersprungen." Eric Wielgoß, der direkt neben Westerwelle saß, ist anderer Auffassung: "Er hat nicht um den heißen Brei geredet. Ich halte ihn für persönlich glaubwürdig."