Wer Normalität im politischen Umgang Deutschlands mit Israel verlangt, sollte bedenken, dass sich beide Völker auf den Gräbern von sechs Millionen ermordeten Juden begegnen. Der Besuch eines israelischen Regierungschefs in Berlin ist niemals Routine.

Benjamin Netanjahus Frau Sara verlor rund 100 Angehörige im Holocaust, der Vater seines mitreisenden Ministers Yossi Peled starb in Auschwitz, und dem sonst so hartgesottenen Netanjahu traten die Tränen in die Augen, als er im Kanzleramt auf die Auschwitz-Baupläne angesprochen wurde, die ihm zuvor überreicht worden waren. Normalität ist da einfach nicht möglich.

Dass sich eine deutsche Kanzlerin inzwischen leisten kann, Israels Premier klar dazu aufzufordern, den friedenspolitisch verheerenden Siedlungsbau in den besetzten Gebieten endlich zu stoppen, ist allerdings ein Zeichen für gewachsenes Vertrauen. Im Vorfeld seines Besuches hatte Netanjahu sogar noch verhindern wollen, dass dieses Thema seine Berliner Visite trüben könnte. Doch Merkel blieb hart. Zeitweise musste sich der israelische Premier vorgekommen sein wie ein gemaßregelter Schüler.

Dass daraus dennoch kein politischer Kollateralschaden entstanden ist, liegt daran, dass die deutsche Politik niemals Zweifel an ihrer grundlegenden Unterstützung Israels aufkommen lässt.

Deutschland hat sich zu einem ehrlichen Makler im Nahen Osten gemausert - im Verhältnis zum früheren Monopolisten USA mit einem Minimum an Macht, aber einem Maximum an Glaubwürdigkeit. Offene Worte wie jene Merkels in Berlin tragen zu dieser Glaubwürdigkeit bei - und sie werden auch von den Israelis respektiert.