Er könnte Dieter Althaus ablösen und Deutschlands erster Regierungschef der Linken werden. Doch SPD und Grüne machen nicht mit.

Hamburg/Erfurt. Es wäre so einfach, Dieter Althaus in die Opposition zu schicken, findet Bodo Ramelow. SPD und Grüne müssten ihn nur zum Ministerpräsidenten wählen. Rein rechnerisch könnte Rot-Rot-Grün in der Tat nach der Landtagswahl am 30. August regieren: Die Linke kommt in Umfragen auf 24 Prozent, die SPD auf 20 und die Grünen auf sechs Prozent.

Aber die Wirklichkeit ist anders. Dass eine linke Regierung zustande kommt, glaubt selbst Ramelow kaum noch. "Ich fürchte, wer SPD wählt, wählt damit Dieter Althaus." Die Umfragen sind schuld. Denn CDU (34 Prozent) und FDP (neun Prozent) hätten derzeit keine Mehrheit. Nun glaubt Ramelow, sein Duzfreund, der SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie, will eher Juniorpartner unter CDU-Ministerpräsident Althaus werden als kurz vor der Bundestagwahl Deutschlands ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei möglich zu machen.

Monatelang hatte der Linken-Spitzenkandidat die Beteuerungen Matschies, niemals unter Ramelow eine Koalition einzugehen, zwar zur Kenntnis, aber nicht wirklich ernst genommen. Doch Matschies Ton wurde schärfer, die Ablehnung noch schroffer, und die Grünen stehen ihm zur Seite. Ramelow darf nicht Regierungschef werden, ist man sich einig. Ramelow entgegnet trotzig: "Ich kann definitiv ausschließen, dass der Ministerpräsident Matschie heißen wird, wenn die Linke mehr Stimmen bekommt als die SPD." Vor Kurzem legte Ramelow den SPD-Genossen sogar nahe, auf Matschie nach der Wahl zu verzichten. Und er wundert sich, was sein Wunschpartner an ihm auszusetzen hat. "Herr Matschie hat nichts gegen mich persönlich."

Der 53-Jährige sucht die Ursachen für das Misstrauen woanders: Die Aversion gegen ihn sei "geprägt durch Antikommunismus in Westdeutschland, Ressentiments der SPD-Parteizentrale in Berlin und ein Anti-Lafontainismus". Ramelow ist es dabei selbst, der den Ressentiments neue Nahrung gibt. Die deutsch-deutsche Grenze nannte er vor wenigen Monaten "legitim", dann sagte er, dass die DDR kein Unrechtsstaat war, um danach mit zwei Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi auf den Listenplätzen drei und 20 in den Wahlkampf zu ziehen. Eine bessere Vorlage für Angriffe gegen ihn konnte er dem Gegner kaum bieten. "Die Politiker, um die es geht, haben Reue gezeigt", verteidigt Ramelow die Nominierungen. "Sie haben auch Vergebung verdient."

Am Ende aber könnte Ramelows diffuse Haltung zur DDR als Begründung für Matschie dienen, lieber mit Althaus zusammenzuarbeiten. Dabei hat Ramelow bei der Linken selbst den Ruf eines eher Konservativen. "Die Linke hat sich an mich gewöhnt", sagt er. Ramelow gilt als autoritär, als gewiefter Taktiker mit ausgeprägtem Machtbewusstsein. Und er selbst sieht sich als einer der wenigen gesamtdeutschen Linken: Nach dem Mauerfall ging der Einzelhandelskaufmann von Hessen nach Thüringen, um neue Gewerkschaftsstrukturen aufzubauen. Er wurde Landesvorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), trat in die PDS ein und zog 1999 in den Erfurter Landtag. Er wurde Wahlkampfleiter für die Bundestagswahl 2005, ging als Fraktions-Vize in den Bundestag und führte als Fusionsbeauftragter WASG und PDS zur Linkspartei zusammen. Nicht nur weil er als Westdeutscher im Osten bei der SED-Nachfolgepartei Karriere machte, ist er für viele Parteigenossen noch ein Fremdkörper. Ramelow ist obendrein bekennender Protestant. "Es ist gut, wenn auch Linke einmal die Bibel in die Hand nehmen", sagt er. Seine Konfession hat er sogar zum Wahlkampfthema gemacht: "Wollen die Thüringer einen Ministerpräsidenten, der mit der Lutherdekade nichts am Hut hat, weil er Katholik ist? Oder wollen sie einen Protestanten, der genau weiß: In acht Jahren wird das wichtigste Ereignis der letzten 500 Jahre in Thüringen stattfinden." Ramelow hat das Jubiläum des Thesenanschlags von Martin Luther als Auftrag in sein Wahlprogramm aufgenommen.

Protestant gegen Katholik - es gibt kaum ein Feld, auf dem er Althaus nicht attackiert. Nur über dessen "Vorbestrafung" werde er nichts sagen, so Ramelow. Dafür bezeichnet er Althaus als "abgehoben von den Realitäten" und muss bei ihm ausgerechnet an die SED denken: "Seine Fehleinschätzung der Lage in diesem Land erinnert mich fatal an eine Fehleinschätzung, die eine andere Staatsmachtpartei in diesem Land hatte."