Dieter Althaus, Stanislaw Tillich und Peter Müller (alle CDU) regieren in Thüringen, Sachsen und im Saarland. Bei den Landtagswahlen am 30. August fürchten sie den Machtverlust an Linkskoalitionen. Karsten Kammholz hat alle drei getroffen.

Gibt man bei Google die Namen Müller und Lafontaine ein, landet man in der Trefferliste ausgerechnet bei Christa Müller, der Gattin von Oskar Lafontaine. Das kann einem Ministerpräsidenten, der auch Müller heißt, kaum gefallen. Erst recht nicht, wenn dieser Ministerpräsident Müller gern in der Öffentlichkeit über Lafontaine redet. Das Saarland, sagt er, werde zur Lachnummer der Republik, sollte "der Oskar" der nächste Ministerpräsident werden. "Der Peter" selbst würde auch zur Lachnummer, wenn er diese Wahl verliert. Gegen einen wie Lafontaine darf das nicht geschehen.

Aber Müller könnte in die Geschichte eingehen als der Regierungschef, der das erste Linksbündnis in einem westdeutschen Flächenland nicht zu verhindern wusste. Und dessen Wahlergebnis am Ende die Strategien von Union und SPD im Bundestagwahlkampf erschütterte. Seine Katastrophe.

Es ist heiß und schwül an diesem Mittag im Landkreis Neunkirchen, als der Regierungschef wandern geht. Er legt ein ordentliches Tempo vor. Vom Dorf Welschbach über die Dörfer Hirzweiler und Hüttigweiler zurück nach Welschbach, auf und ab durch Wald und Wiesen. Wer ein paar Takte mit ihm reden will, muss Schritt halten. "Ich komme mit den Leuten ins Gespräch, und das total stressfrei", sagt er. 200 weitere Wanderer hat er im Schlepptau, darunter Landtagsabgeordnete, ein Minister und Lokalpolitiker aller Parteien. Nur die Linkspartei ist nicht dabei. Das muss sie auch nicht. "Der Oskar" ist auch so das große Thema. Müller spricht über den Linken-Spitzenkandidaten bei Kilometer zwei, bei Kilometer fünf und noch mal bei Kilometer acht auf der neun Kilometer langen Strecke. Dass "der Oskar" von gestern sei, "die personifizierte Vergangenheit".

Peter Müller findet diesen Wahlkampf richtig. Dabei ist seine politische Zukunft so unsicher wie nie zuvor. Die absolute Mehrheit, mit der er seit 1999 regiert, wird er den Umfragen zufolge verlieren. Selbst für Schwarz-Gelb wird es eng. Die CDU käme derzeit auf 36 Prozent, die FDP auf neun Prozent. Die SPD hat sich mit 27 Prozent klar von der Linkspartei (18 Prozent) abgesetzt. Die Grünen sind mit sieben Prozent das Zünglein an der Waage. Müllers Feindbild ist der Oskar und nicht so sehr der ewig blasse SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas. Der wiederum liebäugelt inzwischen auch öffentlich mit Rot-Rot-Grün und bekommt dafür Rückendeckung von Parteichef Franz Müntefering: Er habe "keine Sorgen" angesichts eines Bündnisses mit Lafontaines Truppe, sagte Müntefering. Sorgen haben da eher die Grünen, die für eine Ampel unter Maas werben. Im Saarland ist alles möglich nach dem 30. August. Auch das politische Ende von Peter Müller.

Müller hatte eigentlich schon vor vier Jahren genug vom kleinsten Flächenland der Republik, war Angela Merkels Schattenminister für Wirtschaft und Arbeit. Dann kam die Große Koalition, für Müller war kein Platz am Kabinettstisch. Seitdem heißt es, er sei amtsmüde. Der Ministerpräsident weicht mit Humor aus: "Ab und zu ist selbst der Müller müde. Dann sind die anderen aber längst erschöpft in Tiefschlaf gesunken", sagt er dem Hamburger Abendblatt. "Mangels sachlicher Kritikpunkte" versuche es die Opposition mit der Legende von der Amtsmüdigkeit. "Ich will noch viel bewegen und mindestens fünf Jahre weiterregieren." Was soll er anderes sagen? Müller ist erst 53 Jahre alt. Vier Wochen nach der Landtagswahl wird im Bund gewählt. "Mich zieht es nicht nach Berlin", sagt er und blickt entspannt über die sanften Hügel seines kleinen Saarlands. Die Hauptstadt ist von hier aus sehr weit weg.

Bei einem anderen wahlkämpfenden CDU-Ministerpräsidenten war die Hauptstadt vor ein paar Monaten ganz nah. Das Konrad-Adenauer-Haus fragte in der sächsischen Staatskanzlei in Dresden, ob die Kanzlerin helfen solle. Ministerpräsident Stanislaw Tillich lehnte ab. Er wollte allein die Debatte um seine Vergangenheit durchstehen. "Man muss auch mal einen Sturm aushalten", sagt er. Vielleicht hatte er sich da verschätzt. Der Wahlkämpfer Tillich hat es vor allem mit sich selbst und seiner eigenen Geschichte zu tun. Und seine Gegner wittern wieder Morgenluft. Als im November 2008 Details aus Tillichs DDR-Karriere als Mitglied der SED-treuen CDU publik wurden, war das die erste Bewährungsprobe für den seit einem halben Jahr amtierenden ersten ostdeutschen Regierungschef Sachsens. Es ging um einen Fragebogen, den Tillich 1999 vor seinem Amtsantritt ins Kabinett Biedenkopf ausgefüllt hatte. Bei der Frage nach herausgehobenen Funktionen in der DDR schrieb er: "Handel und Versorgung, Mitglied d. R. d. Kr." Das war formal richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Er war sogar stellvertretender Vorsitzender des Rates im sächsischen Kreis Kamenz, zuständig für Handel und Versorgung - ein relativ hoher Posten. Tillich wird die Fragen um seine Vergangenheit auch in der heißen Wahlkampfphase nicht mehr los.

Sein monatelanges Taktieren und Zögern haben ihm geschadet. Der Ministerpräsident sitzt in einem Restaurant direkt neben der Nikolaikirche, dem Ort, an dem vor 20 Jahren die friedliche Revolution ihren Lauf nahm. Er würde gern mehr über die Wiedervereinigung und das Zusammenwachsen von Ost und West sprechen. Aber er muss einen Rechtfertigungskampf um die eigene Person führen, den er für unnötig hält. "Die SED hat damals die Politik in der SED-Diktatur bestimmt", sagt er genervt. Er sei als Ratsmitglied ein "Mangelverwalter" gewesen.

Eigentlich ist Tillich nach Leipzig gefahren, um für den Tourismusstandort zu werben. Er hat ein gutes Dutzend Stadtführer getroffen und Sehenswürdigkeiten besichtigt. Viele schöne Bilder des stets gebräunten Regierungschefs sind dabei entstanden. "Die Menschen in Sachsen sind durch meine Vergangenheit in der DDR nicht irritiert. Sie haben verstanden, dass es hier nicht um Aufklärung, sondern eine Kampagne geht", sagt er. Die Umfragen geben ihm derzeit recht. Im Moment käme die CDU auf 42 Prozent, die FDP auf elf - das würde zum Regieren reichen. Die Liberalen sind Tillich weitaus lieber als sein jetziger Koalitionspartner SPD. Aber mit den Sozialdemokraten würde er auch weitermachen, vielleicht auch auf die Grünen zugehen. Der Sohn eines leitenden SED-Funktionärs mit sorbischen Wurzeln sucht noch seine Rolle. Über seine frühere sagt er demütig und entwaffnend: "Ich war damals kein Held."

Sein Hauptgegner ist André Hahn, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Linken. Er will Tillich ablösen und mit der SPD und den Grünen zusammen ein Linksbündnis eingehen. Aber die Linke, die 2004 noch als PDS 23,6 Prozent holte, steht derzeit nur bei 17 Prozent, die SPD bei 14, die Grünen bei sieben. Für ein Linksbündnis müssten alle drei noch zulegen. Hahn sagt: "Von Thüringen wird zurzeit eher eine rot-rote Regierung erwartet."

Deshalb wird der Wahlkampf in Thüringen mit besonderer Schärfe geführt. Dieter Althaus wird die absolute CDU-Mehrheit Umfragen zufolge verlieren. Die CDU steht bei 40 Prozent. Linke und SPD kämen derzeit auf 24 und 16 Prozent der Stimmen. Die FDP und die Grünen würden mit je sechs Prozent wieder in den Landtag einziehen. Es wird eng zwischen Rot-Rot-Grün und Schwarz-Gelb. Dieter Althaus muss kämpfen. Rund 100 Auftritte will er insgesamt absolvieren. Er weiß, dass es um sein politisches Überleben als Ministerpräsident geht. Als er am vergangenen Freitag in Meiningen seine Auftrittstournee eröffnet, ist der Marktplatz vielleicht zu einem Drittel gefüllt. Ein wenig hölzern und mit beiden Händen ans Mikro geklammert, spricht Althaus von einer "Gestaltungsmehrheit" und darüber, dass man im Osten sehr wohl die von Helmut Kohl versprochenen blühenden Landschaften habe, in Thüringen doppelt so viele Autobahnkilometer wie 1990 und eine Luft, die man gerne wieder atme.

Noch vor vier Monaten war der Ministerpräsident in klinischer Behandlung. Drei Monate dauerte die Rehabilitation. Auch deshalb muss er sich Fragen nach seiner Gesundheit gefallen lassen. An den Skiunfall am Neujahrstag, bei dem eine Frau starb, kann er sich nicht erinnern. Aber er spricht viel darüber. Als er vor Kurzem der "Bild am Sonntag" erzählte, dass der "Unfall ein Schub für mehr Sensibilität" gewesen sei, und es ihm sehr wichtig gewesen sei, am Grab der getöteten Frau beten zu können, platzte der Opposition der Kragen. Der sonst so zurückhaltende SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie warf Althaus "schamlose Selbstinszenierung" vor. "Er bricht den Konsens, den Unfall nicht zum Wahlkampfthema zu machen", sagte er. Auch Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow zeigte sich empört.

Althaus kann die Aufregung nicht nachvollziehen. "Der Skiunfall ist in Interviews immer mal ein Thema, das von Journalisten aufgegriffen wird", sagt er. Mit dem Wahlkampf habe das nichts zu tun. "Ich bete jeden Tag und denke an Frau Christandl, ihren Sohn und den Ehemann. Aber das sind private Gedanken, und die haben auf meine tägliche Arbeit keinen Einfluss." Seine tägliche Arbeit ist der Kampf um Wählerstimmen. "Die Frage lautet: Dieter Althaus oder Bodo Ramelow als Ministerpräsident?", sagt er. Als ob sich der Wähler zwischen Urlaub auf den Malediven oder in Wanne-Eickel zu entscheiden habe. Als ob seine Abwahl und Rot-Rot in Erfurt keinerlei Einfluss auf den Bundestagswahlkampf hätten.

Ganz so entspannt wie Althaus geht seine Anhängerschaft nicht mit Ramelow um. Die CDU zog bereits ein Postkartenmotiv der Jungen Union (JU) aus dem Verkehr, in dem Ramelow unter dem Slogan "Keiner von uns - keiner für uns" wegen seiner westdeutschen Herkunft angegriffen wird. Das Motiv zeigt als "echte Thüringer" eine Bratwurst, als "falschen Thüringer" den in Niedersachsen geborenen Ramelow. Althaus habe es nicht geschafft, seiner "Krabbelgruppe" Einhalt zu gebieten, sagt Ramelow.

Althaus und sein Team reisen jetzt in einem angemieteten Reisebus durch das Land. Nach der Rede in Meiningen zieht sich Althaus kurz in den Bus zurück. Ein Schluck Wasser, einmal durchatmen, einmal dem Lärm der Wahlkampfparty entkommen. "Es wird eine zugespitzte Auseinandersetzung, aber kein schmutziger Wahlkampf", sagt er und schaut zur offenen Bustür. Dieter Althaus hält es kaum auf seinem Sitz. Er will wieder hinaus. Draußen sind schließlich Menschen, die Bodo Ramelow wählen könnten.