Verteidigungsminister bleibt dabei: Afghanistan-Einsatz ist kein Krieg. Taliban strömen in deutschen Sektor.

Hamburg/Berlin/Kabul. Nach dem Tod von drei Bundeswehrsoldaten bei einem Gefecht gegen radikalislamische Taliban-Milizen unweit von Kundus hat Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung einen härteren Kurs gegen die Aufständischen angekündigt. "Wer uns angreift, der wird auch bekämpft, und die Bundeswehr hat dafür die notwendigen Antworten", sagte der Minister in Berlin.

Zugleich wies Jung die Auffassung zurück, die Bundeswehr befinde sich am Hindukusch in einem Krieg: "Wir sind dort keine Besatzer, sondern wir sind da, um die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu festigen und zu wahren, indem wir dort dem Terrorismus entgegentreten." Sein Sprecher Thomas Raabe betonte, wenn man von Krieg reden würde, dann "würde man den Gegner auf eine rechtlich definierte Stufe stellen". Es handle sich aber um "Verbrecher, Terroristen und Kriminelle".

Zudem könne man den zivil-militärischen Ansatz nicht mehr begründen, wenn man von Krieg spreche. "In einem Krieg würde man nicht versuchen, die Armee und die Polizei eines Staates aufzubauen", sagte Raabe.

Die drei deutschen Soldaten waren offenbar ertrunken, als ihr gepanzerter "Fuchs"-Transporter während eines Gefechts in einen Wassergraben stürzte. Vier weitere Soldaten konnten sich aus dem Fahrzeug retten. Die ums Leben gekommenen 21 und 23 Jahre alten Männer kamen nach Angaben der "Bild"-Zeitung aus Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Damit sind bereits 35 Angehörige der Bundeswehr im Zuge des Afghanistan-Einsatzes getötet worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und das gesamte Kabinett verurteilten den Angriff auf die Deutschen "auf das Schärfste". Man trauere um die drei Soldaten, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. Indessen wurde bekannt, dass bei dem Gefecht auch drei Taliban ums Leben gekommen waren.

Nach Jungs Einschätzung ist die Lage vor allem im Bereich der nordafghanischen Stadt Kundus "kritisch". Den Anlass zu den verstärkten Taliban-Angriffen liefert offenbar die afghanische Präsidentenwahl am 20. August; die Radikalislamisten wollen die Lage im Vorfeld der Wahl destabilisieren. Wie Jungs Sprecher Raabe mitteilte, strömten verstärkt militante Kräfte aus Pakistan in den Raum Kundus nach. US-Präsident Barack Obama will daher im Zuge seiner "AfPak"-Strategie die Taliban bereits in ihren pakistanischen Aufmarschräumen zerschlagen.

Die Auseinandersetzung habe eine neue Qualität bekommen, erklärten übereinstimmend der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Reinhold Robbe, und der Bundeswehrverband. Dessen Sprecher sagte: "Das sind Gefechte, wo militärisch organisierte Taliban offen auf die Soldaten schießen und diese dann zurückschießen müssen." Der Bundesvorsitzende des Verbandes, Ulrich Kirsch, forderte, die Bundeswehr in Afghanistan mit mehr Gefechtsfahrzeugen auszustatten und auch den Einsatz von Kampfpanzern und Artillerie nicht mehr auszuschließen.

Robbe forderte mehr öffentlichen Rückhalt für die deutschen Soldaten in Afghanistan.

Derweil wurden bei neuen Gefechten, vorwiegend in den südlichen Unruheprovinzen Kandahar und Sabul, mindestens 30 Taliban von Nato-Soldaten getötet.