Pro

Der frühere Bundesverteidigungsminister Peter Struck hat den bemerkenswerten Satz geprägt, dass die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt wird. Natürlich haben sich die Parameter der deutschen Sicherheitspolitik nach dem Zusammenbruch des Ostblocks dramatisch verändert. Ging es der Bundeswehr damals darum, eine Invasion des Warschauer Pakts abzuwehren, so hat sie es nun eher mit einer asymmetrischen globalen Bedrohung zu tun, die eben auch "out of area", also außerhalb des Nato-Bündnisgebietes, erfolgen kann. Die Abwehr von Piratenangriffen auf die internationale Schifffahrt ist ohne Frage sinnvoll. Doch ein Kampfeinsatz im fernen Afghanistan, mit dem Ziel, eine in archaischen Stammesstrukturen erstarrte, radikalislamische Gesellschaft zu stabilisieren? Wer kommt denn auf eine derartig vermessene Idee? Jedenfalls nicht originär die deutsche Politik. Der Bundeswehr-Einsatz liegt nicht vorrangig im nationalen Interesse Deutschlands; es ist vielmehr eine Bündnisleistung zugunsten der am 11. September 2001 angegriffenen USA. Kein deutscher Politiker, der seine Sinne beisammen hat, hätte ohne Not einen solchen Einsatz gefordert - wir haben dort nichts verloren. Doch der Zwang zur Bündnistreue für die Deutschen, die beide Irak-Kriege ausgelassen haben, ist enorm. Nun steht die deutsche Politik in einem klassischen Dilemma: Der Afghanistan-Einsatz verlangt eine permanente Eskalation; es wäre geboten, unsere Soldaten sofort abzuziehen. Dies aber würde Afghanistan schlagartig destabilisieren und Deutschland in der westlichen Allianz isolieren.

Thomas Frankenfeld ist Chefautor und Oberst der Reserve.

Kontra

Raus aus Afghanistan? Für diese Option ist es längst zu spät. Das klingt nicht gut, und das will auch keiner hören. Aber es ist leider so.

"Wir bauen hier im Moment keine Brücken und bohren keine Brunnen, wir befinden uns hier im Krieg" - das erzählten Bundeswehrsoldaten dem Wehrbeauftragten Reinhold Robbe, als er zu Besuch in Kundus war. Es ist also genau die Situation eingetreten, die alle deutschen Nachkriegsregierungen und die Bundeswehr immer vermeiden wollten: dass deutsche Soldaten in Kriegshandlungen verstrickt werden. Auf Krieg wollte man sie nicht vorbereiten. Sehr gut vorbereitet sind sie hingegen für "Post war"-Gebiete, in denen der Wiederaufbau tatsächlich beginnt - wie etwa auf dem Balkan. In Afghanistan hat sich die Lage anders entwickelt.

Das kann man beklagen oder andere dafür verantwortlich machen - etwa die bisherige US-Strategie oder die instabile Lage in Pakistan. Aber kann man sich einfach hinstellen und sagen: "Tut uns leid, Leute, das wird uns hier zu schwierig, seht selber zu, wie ihr mit den Taliban und al-Qaida fertig werdet"? Welche Folgen hätte das für eine an sich selbstbewusste Bundeswehr? Welche Folgen hätte es für die Gegner eines Aufbaus in Afghanistan? Gibt es nichts gegen sie zu verteidigen?

Die deutschen Soldaten wollen ja sichern, dass afghanische Kinder zur Schule gehen, dass Brunnen gebohrt und Straßen gebaut werden. Dann müssen die Deutschen aber auch so konsequent sein und ihren Soldaten diese Verteidigung ermöglichen - auch mit dem nötigen Gerät. Alles andere wäre feige.

Irene Jung ist Autorin für Politik und Gesellschaft.