Mindereinnahmen, Rezession und Abgabensenkungen treiben allerdings die Staatsschulden auf Rekordhöhen.

Hamburg. Wenn Wirtschaftskrise, Wahljahr und ein einschlägiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts zusammentreffen, kann es unterm Strich für alle Beteiligten sehr teuer werden. Der Bundestag hat am Freitag eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die Steuerzahler Rentner und Betriebe entlasten soll. Der Preis dafür wird aber eine neue gewaltige Rekordverschuldung im kommenden Jahr sein:

- Bürgerentlastungsgesetz: Die Karlsruher Richter hatten 2008 entschieden, dass eine Basis-Kranken- und Pflegeversicherung zum Existenzminimum gehört und somit nicht besteuert werden darf. Von 2010 an werden Arbeitnehmer um fast zehn Milliarden Euro entlastet. Gesetzlich und privat Versicherte, ihre Ehepartner beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner sowie ihre mitversicherten Kinder sollen weitgehend steuerlich gleich behandelt werden. Es kann künftig aber nicht alles abgerechnet werden: Nicht abziehbar bleiben Kosten etwa für Chefarztbehandlung oder ein Einzelzimmer im Krankenhaus.

Sonstige Vorsorgeaufwendungen wie Arbeitslosen-, Berufsunfähigkeits-, Unfall-, Risikolebensversicherungen und freiwillige Pflegeversicherungen sind auch künftig als Sonderausgaben absetzbar. Aber nur, wenn der neue Höchstbetrag für Aufwendungen durch Kranken- und Pflegekassen-Beiträge noch nicht ausgeschöpft ist. Die Höchstgrenzen werden auf 1900 Euro (Arbeitnehmer und Beihilfeberechtigte) und 2800 Euro (Steuerpflichtige, die ihre Krankenversicherung allein tragen) angehoben. Darüber können mindestens die tatsächlich geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung angesetzt werden. Das heißt: Wer Kranken- und Pflegeversicherungsbeträge in Höhe von 4000 Euro hat, darf den vollen Betrag geltend machen. Wer die Höchstgrenzen nicht mit Kranken- und Pflege-Versicherungen ausschöpft, kann auch andere Vorsorgeaufwendungen geltend machen.

- Rentengarantie: Bisher waren die Renten an die Lohnentwicklung gekoppelt. Jetzt wurde beschlossen, dass die Bezüge der etwa 20 Millionen Rentner niemals gekürzt werden, auch nicht, wenn die Löhne sinken. Allerdings sollen die Rentner bei steigenden Löhnen wieder Nullrunden hinnehmen müssen.

- Kurzarbeit: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) übernimmt künftig ab dem siebten Monat der Kurzarbeit in voller Höhe die Sozialbeiträge auf den Teil des Nettolohns, der durch Kurzarbeit ausfällt.

- Umsatzsteuer: Unternehmen mit bis zu 500 000 Euro Umsatz müssen bundesweit die Umsatzsteuer erst dann an das Finanzamt abführen, wenn ihre Kunden die Rechnung bezahlt haben. Die dafür geltende Umsatzsteuergrenze wird von 250 000 Euro auf 500 000 Euro angehoben.

- Zinsschranke: Die Freigrenze zur Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen wird von einer auf drei Millionen Euro angehoben.

- Sanierungsklausel: Ein Konzern kann bei der Übernahme von Problemfällen Verluste voll steuerlich geltend machen und mit Gewinnen verrechnen.

- Agrardiesel: Die Steuer auf Agrardiesel wird wieder auf 25,56 Cent pro Liter gesenkt. Die Maßnahmen für die Wirtschaft sind auf 2009 und 2010 beschränkt.

Der am Freitag beschlossene Nachtragshaushalt erhöht die Neuverschuldung in diesem Jahr auf 47,6 Milliarden Euro. Damit ist der Nachkriegsrekord Theo Waigels von 1996 gebrochen. Im kommenden Jahr aber verdoppelt sich dieser Rekordwert beinahe auf rund 86 Milliarden Euro, wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Bundestag ankündigte. Die Opposition warf der Großen Koalition "krachendes Versagen" vor. Jürgen Koppelin (FDP) forderte einen "Kassensturz" nach der Bundestagswahl Ende September. "Alle Ausgaben des Bundes müssen auf den Prüfstand", verlangte der Abgeordnete.