Vier Wochen vor der Bundestagswahl könnte am 30. August im Saarland und Thüringen Rot-Rot eine Mehrheit bekommen. Vorboten für Berlin?

Berlin. Der Countdown läuft: Heute in genau 100 Tagen ist in Deutschland Bundestagswahl. Die Parteien rüsten sich für den Endspurt im Rennen um die Macht im Kanzleramt. Ende des Monats stellen CDU und CSU ihr gemeinsames Wahlprogramm vor. Bereits an diesem Wochenende beschließt die Linke auf einem Bundesparteitag ihr Programm. Am 3. Juli kommt der Bundestag zur letzten regulären Sitzung zusammen. Mitte Juli entscheidet der Bundeswahlausschuss, welche Parteien zugelassen werden. Danach beginnt die Sommerpause, die aber kürzer ausfällt als sonst. Denn schon am 30. August wählen drei Bundesländer neue Landtage. "An diesem Tag beginnt die heiße Phase der politischen Auseinandersetzung", sagte der Politik- und Medienberater Michael Spreng dem Abendblatt. "Wenn es im Saarland und in Thüringen für rot-rote Bündnisse reichen sollte, wird dieses Thema die politische Agenda bis zum 27. September mit bestimmen", so Spreng. Außerdem habe der Ausgang der Wahlen "entscheidende Bedeutung für die Mobilisierung der Anhängerschaft".

Spreng äußerte Zweifel an der Erwartung der stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden Andrea Nahles, die das Zustandekommen eines Bündnisses aus SPD und Linkspartei im Saarland als "Rückenwind" für den Wahlkampf der Sozialdemokraten interpretiert. "Rot-Rot im Saarland wäre das Schlussthema der CDU-Kampagne und könnte deren Anhängerschaft hervorragend mobilisieren. Für die Sozialdemokraten gilt das Gegenteil. Die Traditionswähler, die die SPD derzeit noch hat, sind gerade jene, die die größten Vorbehalte gegenüber Rot-Rot hegen", so der Politikberater. Das habe der Ausgang der Wahl in Hessen bewiesen. Das Versprechen des SPD-Führungsduos Müntefering und Steinmeier, dass es im Bund nicht zu Rot-Rot kommt, sei danach unglaubwürdig. In Berlin gehen politische Beobachter deshalb davon aus, dass die Sozialdemokraten in solch einer Konstellation Verhandlungen mit mehreren Parteien aufnehmen und diese künstlich in die Länge ziehen, um bis zum 27. September kein Ergebnis zu haben.

Außerdem könnte es dazu kommen, dass die SPD, die in den Umfragen derzeit bei 21 Prozent rangiert, ihre Wahlkampfstrategie ändert und einen klassischen Richtungswahlkampf gegen Schwarz-Gelb einläutet. In diesem Fall müsste sie aber auch das Werben um die Gunst der Liberalen einstellen, die am 20. September auf einem Sonderparteitag eine förmliche Koalitionsaussage zugunsten der Union beschließen wollen.

Bei der CDU/CSU steht ein Strategiewechsel indes nicht ins Haus. "Das wird ein Low-Level-Wahlkampf", sagte der Mainzer Politologe Jürgen Falter. "Die Union will diesmal möglichst wenig Angriffsfläche bieten." Das heißt: CDU-Chefin Angela Merkel will lieber mit ihrem Image als Kanzlerin und Krisenmanagerin punkten und sich nicht wieder festlegen - wie seinerzeit mit den umstrittenen Ideen des Heidelberger Steuerrechtlers Paul Kirchhof. Offenbar die einzige Ausnahme: das Versprechen von Steuersenkungen. Doch Spreng misst der Präsentation des gemeinsamen Wahlprogramms am 29. Juni keine besondere Bedeutung für den weiteren Verlauf des Wahlkampfs bei: "Dem Versprechen auf Steuersenkungen glaubt spätestens seit der Mehrwertsteuerdiskussion 2005 keiner mehr. Deswegen ist es auch nicht wahlrelevant", so Spreng.