Als sei die wirtschaftliche Lage nicht schon schwierig genug: Rezession, Inflationsängste, wachsende Arbeitslosigkeit. Nun kommt auf die Wirtschaft und die Unternehmen eine weitere Herausforderung zu.

Das Risiko einer Pandemie, deren Schrecken man zuletzt bei der Ausbreitung der Atemwegserkrankung SARS vor sechs und der Vogelgrippe vor vier Jahren erfahren hatte.

Die Furcht vor einer weltweiten Ausbreitung der Schweinegrippe hat gestern die europäischen Börsen belastet. Der Deutsche Aktienindex (DAX) verlor zunächst um bis zu zwei Prozent, drehte zum Abschluss des Börsentages aber ins Plus. Angesichts der hohen Verunsicherung griffen Anleger verstärkt zu sicheren Anlagen wie Gold oder Staatsanleihen.

Wegen der bereits schlechten Verfassung der Weltwirtschaft könnte eine Pandemie katastrophale Auswirkungen auf die weltweite Konjunktur haben und die Börsen erneut zum Absturz bringen. Erst in den vergangenen Wochen hatte es eine leichte Erholung gegeben. "Übertragen auf das schwächere Umfeld wird es sicher noch unerfreulicher als bei der Vogelgrippe", sagte der Experte einer Investmentbank.

Bei der Ausbreitung der Vogelgrippe 2005 ging die Weltbank in einem Worst-Case-Szenario (schlimmster anzunehmender Fall) von weltweit 71 Millionen Grippetoten und einem volkswirtschaftlichen Schaden von drei Billionen Dollar aus. 60 Prozent der Kosten würden allein durch die Vorbeugung entstehen.

Vor allem Tourismus- und Transportwerte litten an den Börsen. Zu den Verlierern gehörten Lufthansa, British Airways und Aktien des Reiseveranstalters TUI. Beide Branchen werden bei der Gefahr einer Pandemie sofort betroffen. TUI und dessen Konkurrent Thomas Cook etwa sagten gestern Reisen nach Mexiko-Stadt ab. Bleibt der Tourismus für längere Zeit eingeschränkt, werden auch die Luxushersteller leiden, denn vor allem Japaner kaufen dieser Güter gern in Europa. Auch Versicherer könnten betroffen sein. "Erst Mitte der Woche werden sich die Folgen deutlicher abzeichnen", sagte Sandra Lorke von der Fondsgesellschaft Union Investment. "Falls die Schweinegrippe wirklich massiv in Europa grassiert, wird das Thema die Aktienmärkte für längere Zeit bestimmen", sagt Jochen Intelmann von der Hamburger Sparkasse.

Die Gewinner der Krise sind dagegen Pharma-Produzenten, die von der Herstellung von Grippe-Medikamenten profitieren. Nach Angaben des Pharmakonzerns Novartis gibt es gute Chancen, einen Impfstoff gegen die Schweinegrippe zu entwickeln. Die Entwicklungszeit wird auf bis zu sechs Monate veranschlagt.

Betroffen ist die Wirtschaft von der Schweinegrippe letztlich auch wegen der Außenkontakte ihrer Mitarbeiter und damit durch eine mögliche Ansteckungsgefahr. "Wir beobachten diese Situation - wie bereits seinerzeit bei der Vogelgrippe - sehr genau, auch unter Einbeziehung unseres Betriebsarztes", sagte Thomas Voigt, Leiter der Unternehmenskommunikation beim weltgrößten Versandhandels-Konzern Otto in Hamburg. "Unseren Mitarbeitern, die auf Dienstreisen in betroffene Gebiete gehen, empfehlen wir vorsorglich, antiviral wirksame Medikamente mitzunehmen."

Auch der weltgrößte Logistikkonzern, die Deutsche Post, stellt sich auf mögliche Risiken ein: "Es gibt für solche Situationen ausgearbeitete Notfallpläne, die sich an den Empfehlungen und Richtlinien der Welt-Gesundheitsorganisation orientieren", sagte der für Hamburg zuständige Post-Sprecher Martin Grundler. "Unsere Mitarbeiter informieren wir fortlaufend. Bei Dienstreisen etwa wird infrage gestellt, ob eine Reise in ein gefährdetes Gebiet derzeit wirklich nötig ist."