Der Bund will lieber Milliarden in den Ausbau von Schulen, Krankenhäusern und Straßen fließen lassen. Einigung noch offen.

Berlin. In dem unionsinternen Streit um rasche Steuersenkungen bekräftigte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer gestern seine Position. Der CSU-Chef verwies nach seinem Antrittsbesuch beim österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) auf das Beispiel Österreichs, dessen Große Koalition Steuersenkungen plant. "Ich nehme aus Österreich mit, dass zu einem Konjunkturpaket auch Steuersenkungen gehören", sagte Seehofer. Nach seinen Angaben wollen die Parteispitzen nun am Abend vor der Sitzung des Koalitionsausschusses am 5. Januar versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden.

Auch auf dem Konjunkturgipfel im Kanzleramt wurde über Steuersenkungen diskutiert. Doch zunächst will die Bundesregierung in Abstimmung mit den Ländern schnell öffentliche Investitionen zur Ankurbelung der Konjunktur auf den Weg bringen. In der Runde am Sonntag, an der unter anderem Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertreter teilgenommen hatten, habe Einigkeit über die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen in die Infrastruktur geherrscht, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werde daher mit den Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag in Berlin über Investitionsprojekte beraten.

Wilhelm räumte ein, dass der Bund selbst im kommenden Jahr nicht so viel umsetzen könne, wie er angesichts der lahmenden Konjunktur gern würde. Daher solle nun mit den Ländern und den Kommunen erörtert werden, welche Investitionen schnell möglich seien. Entscheidungen über zusätzliche Konjunkturhilfen sollen laut Wilhelm noch im Januar fallen. Von der Sitzung des Koalitionsausschusses seien aber keine konkreten Entscheidungen zu erwarten. In Koalitionskreisen ist die Rede von einem Investitionsprogramm für Schulen, Verkehr und Krankenhäuser in Städten und Gemeinden in zweistelliger Milliardenhöhe. Dazu könnten Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Bei den Beratungen im Kanzleramt habe es ein "hohes Maß an Übereinstimmung" über die Einschätzung der Wirtschaftskrise gegeben, lobte Wilhelm. Es sei vereinbart worden, dass die Runde voraussichtlich im Januar erneut zusammenkomme.

"Das war ein sehr wichtiges und vertrauensbildendes Gespräch", sagte auch Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Analytisch und sachlich seien Ursachen für die Krise ergründet und erklärt worden. "Die Atmosphäre war sehr konstruktiv", so Kentzler gegenüber dem Abendblatt. Nach einleitenden Worten habe die Bundeskanzlerin die Wissenschaftler gebeten, ihre Analyse der Krise vorzutragen. Dann seien die Banken, die Vertreter der Realwirtschaft und die Gewerkschaften an der Reihe gewesen. Auf dieser Grundlage sei dann "kontrovers, aber diszipliniert" diskutiert worden. Nach Abendblatt-Informationen werden jetzt drei Arbeitsgruppen gebildet: eine mit Bankenvertretern zur Finanzkrise, eine mit Arbeitsmarktexperten zur Vermeidung von Jobverlusten und eine dritte zu Konjunkturprogrammen.

Bankmanager hatten beim Gipfel vor den Folgen einer massiven staatlichen Kreditaufnahme gewarnt. Eine expansive Kreditaufnahme von Regierungen weltweit könne zu einer Kreditklemme selbst für solide aufgestellte Firmen führen, hieß es.