Sie forscht zu Hause schon in der Frühe, wenn die Familie noch schläft. Das dritte Kind durfte sie in der Uni stillen. Ihr Fachgebiet: das Optimieren von Abläufen.

Bremen. Sie geht so schnell, als könne nichts und niemand sie aufhalten. Mit festen Schritten eilt die zierliche Frau im wehenden Wollmantel über den Campus, steuert einen schmucklosen Backsteinbau an, hastet die Treppe hoch in den ersten Stock und öffnet eine Tür. "Prof. Dr.-Ing. Katja Windt, Bernd Rogge Professor of Global Production Logistics" steht auf dem Schild. "Das Büro ist noch nicht fertig eingerichtet", sagt sie und zuckt entschuldigend mit den Schultern. Klar, diese Frau hat Wichtigeres zu tun.

"Maschinenbau ist ein wahnsinnig interessantes Fachgebiet, die Bandbreite ist riesig", sagt Katja Windt, und man hört ihre Begeisterung. Seit fast einem Jahr lehrt die 39-Jährige an der privaten Jacobs University im Bremer Norden. Ihr Spezialgebiet sind Planung und Steuerung von Produktionsprozessen. Sie ist eine der wenigen, die sich in der Männerdomäne Maschinenbau ganz nach oben gearbeitet haben. Aber sie ist noch mehr: nämlich Mutter von drei Kindern.

Gerade wurde sie zum "Hochschullehrer des Jahres" gekürt - als erste Frau. In seiner Begründung attestierte der Deutsche Hochschulverband ihr "eine Vorbildfunktion". "Natürlich habe ich mich darüber gefreut", sagt sie und streicht sich energisch das schulterlange braune Haar von den Schultern. "Aber ich habe nie empfunden, dass ich als Frau nicht für voll genommen würde." Und dann sprudeln die Pläne und Ideen nur so aus ihr heraus. Ein Labor, in dem ihre Studenten die Abläufe in der Produktionslogistik am praktischen Beispiel studieren können, will sie aufbauen, neben Vorlesungen, Übungen, Klausuren und Studentenbetreuung. "Außerdem arbeite ich in zwei Forschungsprojekten mit", sagt sie. Auf dem Schreibtisch summt ihr Laptop, daneben lehnen zwei Fotos von ihren Kindern.

Torben ist acht, Jannes fünf und Nesthäkchen Julina etwas über ein Jahr alt. "Bis vor Kurzem habe ich sie zur Universität mitgenommen, weil ich noch gestillt habe", erzählt Katja Windt und lobt ihren Arbeitgeber dafür, dass er das ermöglicht hat. Es gehe ihr besser, als vielen anderen berufstätigen Müttern, sagt sie und fordert familienfreundlichere Bedingungen. "Ich kann flexibel arbeiten, das ist eine große Hilfe."

Was sie erforscht und anderen beibringt, nämlich Prozesse zu optimieren, hilft ihr auch im Alltag. Oft schon um fünf Uhr morgens sitzt Frau Professorin am Schreibtisch in ihrem Haus in Bremen-Borgfeld. "Dann habe ich schon etwas geschafft, bevor die Kinder aufwachen." Für das Frühstück ist Ehemann Christian zuständig, ebenfalls Ingenieur und in verantwortlicher Position eines Bremer Unternehmens. "Ich muss ihn einspannen, sonst bekomme ich es nicht hin." Inzwischen beschäftigt sie auch ganztags eine Kinderfrau. "Nur mit Au-pair-Mädchen ging es nicht mehr."

Trotzdem bleibt ihr Leben ein täglicher Balanceakt. Die Kinder müssen zum Fußball, Englisch-Kurs oder Gitarrenunterricht gefahren werden. "Den Kuchen für den Kindergeburtstag backe ich abends, am Wochenende haben wir gerade im Kindergarten Putzdienst gehabt", erzählt die Logistik-Expertin, während ihr Computer unablässig den Eingang neuer E-Mails meldet. Zeit für Hobbys hat sie schon lange nicht mehr. "Ich würde gern mal wieder Sport machen." Und was ist, wenn eins der Kinder krank wird oder unvorhergesehene Termine dazwischenkommen? "Dann müssen meine Eltern helfen." Gerade seien die Schwiegereltern zu Besuch. "In diese Woche packe ich alles rein, was geht." Anstrengend sei das, sagt sie ganz ohne Larmoyanz, aber es sei nun mal ihr Weg. Dabei war die gebürtige Bonnerin, die in Hamburg und Bremen aufwuchs, nach dem Abitur mit Leistungskursen in Französisch und Wirtschaft keinesfalls sicher, was sie studieren wollte. "Ein Praktikum bei der Vulkan-Werft hat schließlich den Ausschlag gegeben." Dort habe sie geschweißt und gedreht, einen Fertigungsprozess zum ersten Mal miterlebt. "Die Möglichkeiten haben mich fasziniert." Im Hörsaal der Universität Hannover saß sie dann in den Maschinenbau-Vorlesungen - als eine von zehn Frauen unter 600 Männern. Ähnlich war das Verhältnis bei ihren Auslandaufenthalten am renommierten Massachusetts Institute of Technology in Boston (USA) und in Frankreich. Danach kamen Stationen an verschiedenen Instituten und der Universität Bremen. Auch heute ist sie in ihrem Team die einzige Frau unter Männern.

Immerhin belegen ihre Kurse im Studiengang Global Production Logistics inzwischen zu einem Drittel Frauen. "In der Vertiefung bleiben aber immer noch deutlich weniger", sagt die Hochschullehrerin. "Das ärgert mich schon. Die Frauen müssen es endlich wagen, in diesen Bereich reinzugehen." Wo sonst könne man so am technischen Fortschritt teilhaben und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands mit befördern. Die Chancen seien angesichts des Mangels an qualifizierten Ingenieuren enorm. Allein in Deutschland fehlen nach Schätzungen 12 000 Fachkräfte.

Katja Windt selbst ist das beste Beispiel, dass Frauen im technischen Bereich erfolgreich sein können. Ihre innovativen Forschungsansätze sprechen für sich. So beschäftigt sich die Maschinenbau-Ingenieurin derzeit einerseits mit der Herstellung von Produktionssystemen mit "selbststeuernden" Fertigungsteilen. In einem anderen Schwerpunkt arbeitet sie mit einem Musiker zusammen. Das Ziel: Produktionsdaten hörbar zu machen, um so neue Steuerungsmethoden für die Produktion zu finden. Im Juli erhielt Windt den Alfred-Krupp-Förderpreis, mit einer Million Euro einer der höchstdotierten Preise für Nachwuchsforscher in den Natur- und Ingenieurwissenschaften an deutschen Universitäten. Derzeit entwickelt sie ein Konzept für die Forschungsgelder. Ein weiterer Beweis, dass Karriere und Kinder machbar sind. "Tatsächlich sind Frauen mit Kindern im Beruf flexibler", weiß Katja Windt aus eigener Erfahrung und verweist auf ihr persönliches Vorbild, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. "Ich muss ja sehr schnell im täglichen Leben sein, die Dinge ständig neu priorisieren." Das ist ein Teil ihres Erfolgskonzepts und der Wunsch nach Unabhängigkeit. "Eine große Vision habe ich nicht. Aber man kann Chancen so oder so wahrnehmen."

Dazu gehört eben ein fast perfektes Zeitmanagement. "Meine Kinder sind mir sehr wichtig. Ich will bei ihnen sein." Deswegen hat sie alles so organisiert, dass sie auch wirklich Zeit für Torben, Jannes und Julina hat. "Da lasse ich mich auch nicht ablenken." Aber dazu gehört es auch - zumal für eine Ingenieurin -, sich möglichst viel Technik zunutze zu machen. Das nächste Projekt steht schon an: "Ich muss eine Freisprechanlage im Auto installieren", sagt sie, "damit ich meine Zeit unterwegs noch besser nutzen kann." Auch das hieße: einen Prozess optimieren.