Bundespräsident Horst Köhler hat vor der Verdrängung von NS-Gräueltaten gewarnt. Dass Deutschland heute wieder ein geachtetes Mitglied der...

Ludwigsburg. Bundespräsident Horst Köhler hat vor der Verdrängung von NS-Gräueltaten gewarnt. Dass Deutschland heute wieder ein geachtetes Mitglied der Völkerfamilie sei und dass aus einstigen Kriegsgegnern Freunde geworden seien, habe man auch dem Bemühen um Aufklärung der NS-Verbrechen zu verdanken, sagte Köhler gestern Nachmittag in Ludwigsburg. "Wir alle sollten dankbar dafür sein", sagte der Bundespräsident anlässlich einer Festveranstaltung zum 50. Jahrestag der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen.

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) ergänzte, auch mehr als 60 Jahre nach der NS-Zeit bleibe die Aufarbeitung der Verbrechen für den demokratischen Rechtsstaat unerlässlich: "Mehr noch, sie ist schlicht unverzichtbar für den Staat des Grundgesetzes."

Noch heute suchen die Mitarbeiter der Zentralen Stelle weltweit in Archiven nach Hinweisen auf nationalsozialistische Straftaten. Erst vor Kurzem hatte die Ermittlungsbehörde in Ludwigsburg die Vorermittlungen im Fall des früheren mutmaßlichen KZ-Aufsehers John Demjanjuk abgeschlossen. Dem in den USA lebenden 88-Jährigen wird Beihilfe zur Tötung von mindestens 29 000 europäischen Juden im Konzentrationslager Sobibor in Polen zur Last gelegt.

Zurzeit sind noch 24 Vorermittlungsverfahren anhängig. Den Ermittlern läuft aber die Zeit davon, weil die mutmaßlichen NS-Täter inzwischen hochbetagt sind. Da Mord in Deutschland nicht verjährt, schließen die Ludwigsburger Staatsanwälte die Akten erst, wenn keine Chance mehr besteht, einen Kriegsverbrecher dingfest zu machen.

Köhler sagte, bei Gründung der Zentralen Stelle habe man bis 1965 geplant. Damals sei Mord nach 20 Jahren verjährt. Heute begehe man das 50-jährige Bestehen der Ludwigsburger Einrichtung. "Das sagt einiges über das Ausmaß der Verbrechen, die von hier aus verfolgt wurden; über den Willen zur Aufklärung, mit dem sich die Mitarbeiter über Jahrzehnte einzelnen Fällen widmeten, und auch über den Lernprozess der Deutschen, der zur Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord geführt hat."

Er sei froh darüber, so Köhler, dass junge Leute heute noch fragten: "Wie konnte es dazu kommen, und wie verhüten wir, dass sich dergleichen jemals irgendwo wiederholt? Denn das ist die Voraussetzung dafür, sich weltweit gegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stellen."