Die Krise greift jetzt auch nach der Autoindustrie. Und wieder soll der Staat das Schlimmste verhindern.

Hamburg. Für das angeschlagene Traditionsunternehmen Opel geht es um alles. Der drohende Zusammenbruch des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) gefährdet auch die Existenz des Rüsselsheimer Automobilherstellers mit seinen 25 600 Arbeitsplätzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Opel-Führung für heute ins Berliner Kanzleramt geladen, um über staatliche Bürgschaften von Bund und Ländern von vermutlich bis zu einer Milliarde Euro zu verhandeln. Welchen Sinn machen Bürgschaften - und wie stehen die Chancen von Opel, die Krise zu überstehen?

Opels Schicksal hängt von GM ab. Opel zählt zu den Säulen der deutschen Automobilwirtschaft. Doch schon seit 1929 gehört das Unternehmen zu General Motors. GM, jahrzehntelang weltgrößter Automobilkonzern (heute Nummer zwei nach Toyota), steckt in einer existenziellen Krise. In den ersten neun Monaten dieses Jahres häufte das Unternehmen in Detroit rund 21 Milliarden Dollar Verlust an. Im Oktober verkaufte GM am weltweit wichtigsten Automobilmarkt USA 51 Prozent weniger Last- und Lieferwagen und 35 Prozent weniger Pkw als im Vorjahresmonat. Der Abschwung in den USA verstärkt die Folgen eines jahrelangen Missmanagements im Konzern und einer verfehlten Modellpolitik. "Wenn die Politik in den USA ihre heimische Automobilindustrie jetzt nicht stützt, machen auch Bürgschaften für Opel in Deutschland keinen Sinn", sagte Automobilexperte Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg dem Abendblatt. Demokraten und Republikaner im US-Kongress ringen diese Woche weiter um ein 25 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket für die "großen drei" der US-Automobilwirtschaft: GM, Ford und Chrysler.

Es ist völlig unklar, ob Opel allein überleben könnte. In der Automobilbranche wird darüber spekuliert, ob Opel gemeinsam mit dem Schwesterunternehmen Saab in Schweden - bisher "GM Europe" - als eigenständiger Konzern bessere Zukunftsperspektiven hätte. "Ein Verkauf wäre die beste Lösung", sagte der Branchenexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Die Fahrzeuge seien wesentlich besser als ihr Ruf. Welche Chancen Opel und Saab allein hätten, ist allerdings schwer zu beurteilen, denn die Verflechtungen mit der Konzernmutter in den USA sind eng und die Finanzströme wenig transparent. "Wer sollte Opel kaufen?", fragte Marktexperte Dudenhöffer. "Ein Konkurrent könnte sich für die Marke interessieren - aber angesichts der Überkapazitäten in der Branche wohl nicht für die Produktion." Die besten Chancen würde aus seiner Sicht eine harte Rationalisierung beim Mutterkonzern GM bieten. "Das könnte nach dem Vorbild von Ford laufen", sagte Dudenhöffer, "dazu müsste eine Verkleinerung des Konzerns und der Aufbau straffer regionaler Strukturen gehören." Marktexperte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen, argumentiert ähnlich: "Die einzelnen GM-Marken wird es in vielen Jahren noch geben - aber ob es das Unternehmen GM in dieser Form noch geben wird, ist die Frage."

Opels Untergang könnte in Deutschland bis zu 100 000 Arbeitsplätze kosten. Würde GM Opel mit in den Abgrund reißen, hätte das für die Branche in Deutschland weitreichende Folgen. Betroffen wären nicht nur die Arbeitsplätze in den Opel-Werken selbst, sondern auch die Automobilzulieferer und die Händler. "Wir kalkulieren, dass ein Zusammenbruch von Opel in der deutschen Automobilwirtschaft bis zu 100 000 Arbeitsplätze kosten würde", sagte Ferdinand Dudenhöffer. Die Automobilwirtschaft ist der wichtigste Zweig der deutschen Industrie. Karl-Werner Hansmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, plädiert deshalb dafür, dass Bund und Länder rasch Bürgschaften für Opel beschließen: "Ordnungspolitisch ist das heikel, weil andere Unternehmen aus verschiedenen Branchen später ebenfalls öffentliche Hilfen fordern könnten. Außerdem hängt der Erfolg bei Opel von der Lage bei GM ab", sagte Hansmann dem Abendblatt. "Trotzdem muss die öffentliche Hand das Mögliche tun, um Opel zu stützen. Das Unternehmen ist für die deutsche Wirtschaft zu wichtig, sein Zusammenbruch würde die Rezession noch verstärken."