Thorsten Schäfer-Gümbel, Neuling auf der bundespolitischen Bühne, bekommt Hilfe aus dem Willy-Brandt-Haus.

Berlin. Herr Schäfer-wer? Selbst in der SPD hielt gestern das Erstaunen über die Nominierung des bis dato unbekannten Manns an, der anstelle von Andrea Ypsilanti bei der vorgezogenen Neuwahl für die hessische SPD ins Rennen gehen soll.

"Die Kandidatur von Herrn Schäfer-Gümbel hat mich sehr überrascht. In der Hamburger SPD kennt ihn niemand", sagte der SPD-Chef in der Hansestadt, Ingo Egloff, dem Abendblatt. Er hat hohe Erwartungen an die Genossen in Hessen: Sie sollen im Januar gewinnen - oder die Konsequenzen ziehen. "Wenn die Neuwahl in Hessen für die SPD verloren geht und Roland Koch Ministerpräsident bleibt, dann führt kein Weg daran vorbei, dass Andrea Ypsilanti als Partei- und Fraktionsvorsitzende die Verantwortung dafür übernimmt."

Damit der 39-jährige Landtagsabgeordnete Thorsten Schäfer-Gümbel aus Gießen überhaupt eine Chance hat, muss ihm die Bundespartei unter die Arme greifen.

Den Auftakt machte ein Treffen mit dem Parteivorsitzenden samt Auftritt vor der Hauptstadtpresse. Zwischen den Sitzungen von SPD-Präsidium und Parteirat blieb wenig Zeit. Entsprechend abgehetzt traten Parteichef Franz Müntefering und der neue Spitzenkandidat um fünf Minuten vor zwölf ins Foyer des Willy-Brandt-Hauses.

Einen guten Kopf größer als das Polit-Urgestein ist der Mann, den es aus den Niederungen der Parteipolitik plötzlich ins Rampenlicht verschlagen hat. Weil Andrea Ypsilanti nach dem Absprung der vier SPD-Abgeordneten, die Rot-Rot in Hessen nicht mittragen wollten, auf eine erneute Kandidatur verzichtet und lieber ihren Vertrauten vorschickt. "Ich freue mich, dass Thorsten Schäfer-Gümbel heute dabei ist", präsentierte Müntefering den neuen Mann. Immer wieder spricht er den langen Namen aus, wie um zu zeigen, dass der Unbekannte ihm sehr wohl geläufig ist. Und Müntefering versucht, Mut zu machen: Es sei keineswegs sicher, wie die Neuwahl im Januar ausgehe. Natürlich müssten die hessischen Genossen "hinreichend selbstkritisch" mit ihren Fehlern umgehen. Denn die habe es gegeben - die Zusage, nicht mit der Linken zusammenzuarbeiten, um das dann anzustreben, sei ein solcher gewesen. Aber der bisherige Ministerpräsident Koch (CDU) sei nicht unbesiegbar: "Ich gehe davon aus, dass er eine Reizfigur bleibt", auch wenn er gerade die Backen voll mit Kreide habe.

Dann überließ der Parteichef dem Neuling das Mikrofon. Der - politikergerecht im schwarzen Anzug mit weißem Hemd und weinroter Krawatte gekleidet - gab vorwiegend Allgemeinplätze von sich: "Die sozialdemokratischen Themen liegen eigentlich auf der Straße", ließ Schäfer-Gümbel wissen. Mit seinem Antritt sei auch ein Generationenwechsel eingeleitet worden, der der Partei neue Chancen bringe. Für die 69 Tage Wahlkampf, die er vor sich sah, setzt er auf die Unterstützung der Bundes-SPD. Die sicherte ihm Müntefering zu - "mit Ausnahme des ersten und zweiten Weihnachtstags". Eine Festlegung auf mögliche Koalitionen vermied Schäfer-Gümbel. Bis zur Landtagswahl müssten alle Parteien ihre "Bunkermentalität" überwinden. Der Hamburger Egloff brachte dafür Verständnis auf: "Wenn die FDP sich wie in Hessen so sklavisch an den Rockzipfel der CDU hängt, kann man es der SPD schwer vorwerfen, dass sie andere Machtoptionen auslotet."