Bei der CDU sind Roland Koch und Wolfgang Schäuble im Gespräch. Die SPD favorisiert Martin Schulz und eine einvernehmliche Lösung.

Hamburg/Brüssel. Am 1. November 2009 beginnt die fünfjährige Amtszeit der nächsten EU-Kommission. Aber schon jetzt fängt sich in Berlin das Personalkarussell an zu drehen. Angeblich will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den nächsten deutschen EU-Kommissar im Alleingang und gegen den ausdrücklichen Willen des Koalitionspartners SPD bestimmen.

Das vermeldet jedenfalls die "Welt". Im Gespräch seien der geschäftsführende hessische Ministerpräsident Roland Koch und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU). In der Union werde so ein Alleingang Merkels als "starkes Signal" gegenüber der SPD gewertet, so das Blatt.

In dem Bericht zwar nicht genannt, aber auch auf der Liste der geeigneten CDU-Politiker sind der Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze sowie der erfahrene Europa-Abgeordnete und Außenpolitiker Elmar Brok.

Prompt kamen am Freitag die Dementis. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg verwies die Meldung "ins Reich der Spekulationen". Auch Jens Plötner, Sprecher von Bundesaußenminister und Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte sich entsprechend.

Steg skizzierte das anstehende Prozedere: Im Herbst 2009 laufe die Amtszeit der Kommission in Brüssel ab. Der Europäische Rat, das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs, werde sich erstmals im Juni 2009 mit der Frage beschäftigen. Dann werde jedes EU-Mitgliedsland mit der Kommission erörtern, wer vorgeschlagen werde. Die Bundesregierung werde sich im Juli oder August damit beschäftigen. Dann allerdings befinden sich die deutschen Parteien mitten in der heißen Wahlkampfphase - am 27. September wird ein neuer Bundestag gewählt.

Steinmeiers Sprecher verwies darauf, dass der Minister und die Kanzlerin gesagt hätten, dass sie jenseits des bayerischen Wahlkampfes zu solidarischer Regierungsarbeit zurückfinden wollten. Steinmeier sei dazu entschlossen. Dazu gehöre auch, dass sich die Koalitionspartner über alle wichtigen Entscheidungen abstimmen wollten und Einvernehmen hergestellt werden sollte. Solche Personalfragen zählten auch dazu, so Plötner.

Die Christdemokraten stellten zuletzt vor 20 Jahren einen EU-Kommissar. Karl-Heinz Narjes hatte den Job von 1981 bis 1988. Von 1987 bis 1995 war der CSU-Politiker Peter Schmidhuber Mitglied der EU-Kommission.

Die SPD wünscht, dass der neue EU-Kommissar aus ihren Reihen stammt und hat dafür Martin Schulz, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, benannt. Die SPD beruft sich dabei auf eine mündliche Vereinbarung zwischen dem damaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering und Merkel während der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2005. Danach soll die Neubesetzung von Regierungsämtern in dieser Legislaturperiode an diejenige Partei fallen, die das Amt bereits zuvor innehatte.

Deutschlands EU-Kommissar in Brüssel ist derzeit der Sozialdemokrat Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission und zuständig für Industriepolitik. Der 64-Jährige hatte im Frühjahr bekannt gegeben, dass er im nächsten Jahr aufhören will.

Schulz gab sich dem Abendblatt gegenüber bedeckt. "Alles Spekulation", sagte der SPD-Politiker. Die nächste EU-Kommission werde schließlich erst nach der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2009 gebildet, deren Ergebnisse werde man berücksichtigen müssen.

Für "Indianerspiele" halten deutsche EU-Kreise in Brüssel die Personaldiskussionen, sie entbehrten jeder Grundlage. "Die Kanzlerin hat klar gesagt, sie werde sich erst im nächsten Jahr entscheiden", sagt einer, der die deutsche Regierungschefin gut kennt. Und ein anderer hält Alleingänge in der Großen Koalition für schlecht möglich. "Die Arithmetik muss Merkel im Blick haben. Wenn sie der SPD den Kommissar nimmt, muss sie einen gleichwertigen Posten anbieten."