Die Einschätzungen schwanken von “politisches Pilotprojekt“ bis zu “eigentlich die Ausnahme“.

Berlin. Die Reaktionen auf die in Hamburg beschlossene schwarz-grüne Koalition schwanken zwischen pragmatischem Akzeptieren und bemühtem Kleinreden. Das sei ein "politisches Pilotprojekt" mit Beachtung über die Stadtgrenzen hinaus, urteilte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Um gleich klarzustellen: Auf Bundesebene seien die Unterschiede zwischen den beiden Parteien größer als in der Hansestadt. Für ihn bleibe deshalb der Wunschpartner die FDP.

Keine Zweifel an der Zusammenarbeit zeigte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU): "Schwarz-Grün in Hamburg ist ein Stück hin zu demokratischer Normalität." So sieht es auch Friedbert Pflüger, CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus: Schwarz-grüne oder auch Jamaika-Bündnisse müssten nicht auf Hamburg beschränkt bleiben, sagte er der "Thüringer Allgemeinen".

Aus dem Süden Deutschlands meldete sich die CSU als Skeptiker und Kleinredner zur Wort. Parteichef Erwin Huber sagte, die schwarz-grüne Einigung habe "über die Stadt Hamburg hinaus keine Signalwirkung, weder für die Landes- noch für die Bundespolitik".

Von einer Strahlkraft auf die Bundesebene mag auch Kanzlerin Angela Merkel nichts hören: Eine solche Koalition halte sie für "sehr unwahrscheinlich", sagte Merkel im ZDF. Für sie habe weiterhin ein Bündnis mit der FDP "erste Priorität".

Unter den jüngeren Unionsmitgliedern wird die Entwicklung hingegen begrüßt. "Das ist eine echte Alternative zu Schwarz-Gelb und zur Großen Koalition und kann zu einem echten Innovationsbündnis werden", sagt der CDU-Haushaltspolitiker Ole Schröder, der Mitglied der Jungen Gruppe der Union ist. "Auf die großen Herausforderungen Haushaltssanierung, Umweltschutz, Klimaschutz und demografischer Wandel sind mit den Grünen eher Antworten zu finden als mit den Sozialdemokraten, die nur mit sich selbst beschäftigt und rückwärtsgewandt sind."

Dafür seien die Großen Koalitionen in Schleswig-Holstein und Berlin der Beweis: "Die sind jedenfalls nicht sonderlich kreativ bei der Lösung von Problemen." Natürlich müssten beide Seiten über ihren Schatten springen. Doch die kulturellen Unterschiede zwischen den Parteien, die sich früher noch als Kontrast zwischen Bürgerlichen und Alt-68ern zeigten, seien geschwunden. Schröder: "Gerade für jüngere Abgeordnete sind die Schatten sehr kurz."

Die Zerrissenheit im Urteil über das Bündnis setzt sich bei den Bundes-Grünen fort. Jürgen Trittin, der designierte Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2009, argumentierte im ZDF, wenn die Grünen etwa den Neubau eines Kohlekraftwerks verhinderten, hätten sie für den Klimaschutz richtig was erreicht: "Wenn ich mit Frau Merkel beispielsweise einen Mindestlohn einführen kann oder Atomkraftwerke abschalten - warum soll ich dann nicht mit Frau Merkel koalieren?" Nachträglich relativierte Trittin seine Aussage als "ironische Bemerkung" und entsprach der Linie seiner Co-Kandidatin und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die solch ein Bündnis "die Ausnahme" nannte. Zu viel wollen die Parteispitzen ihren Mitgliedern nicht zumuten, ein Jamaika-Bündnis in Hessen gilt als zerstörerisch für den Zusammenhalt der Grünen.

Unabhängig von dem neuen Bündnis bleibt Niedersachsen bei seinem Nein zur von Hamburg geplanten Elbvertiefung. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte: "Wir profitieren sicherlich von den Häfen in Hamburg, aber wir müssen uns an den Interessen der Menschen an unserem Elbufer orientieren."