ABENDBLATT: Herr Scholz, denken Sie als Arbeitsminister manchmal darüber nach, wie schön es wäre, in Hamburg zu regieren?

OLAF SCHOLZ: Ein Regierungswechsel in Hamburg wäre toll. Und er wird kommen.

ABENDBLATT: Die Umfragen legen nahe, dass es einen Wechsel nur gibt, wenn die SPD mit den Grünen und der Linken koaliert...

SCHOLZ: Alle Umfragen zeigen, dass der Bürgermeister keine Mehrheit haben wird. Aus lauter Verzweiflung versucht er das zu verbergen, indem er immer neue Koalitionspartner präsentiert - ohne die vorher gefragt zu haben. ABENDBLATT: Wäre eine Große Koalition für Hamburg denkbar - oder eine Katastrophe?

SCHOLZ: Das steht nicht zur Debatte. Niemand will eine Große Koalition. Michael Naumann möchte mit den Grünen regieren - und das wird er auch schaffen. Zumal der Bürgermeister eine gewisse Ferne zu den Wählern an den Tag legt. Das war so, als er sich über die Volksentscheide hinwegsetzte. Und das zeigt sein merkwürdig entrückter Wahlkampf.

ABENDBLATT: Immer mehr Wähler - auch in Hamburg - scheinen zu erwarten, dass sich die Linke für ihre Belange einsetzt . . .

SCHOLZ: Die meisten Bürger wissen, was geht und was nicht. Die SPD setzt sich ein für Demokratie und Gerechtigkeit. Sie steht für pragmatische, soziale Politik und setzt diese auch um. Da müssen wir keine Konkurrenz fürchten.

ABENDBLATT: Wie wollen Sie dem Wähler erklären, dass er die SPD und nicht die Linke wählen sollte, wenn er den Mindestlohn will - die SPD aber mit der Union nicht die reine Lehre umsetzen kann?

SCHOLZ: Gutes Beispiel. Denn: Die SPD hat den Mindestlohn zum Thema gemacht. Andere sind erst später aufgesprungen. Und: Wir haben jetzt schon große Fortschritte erzielt. Die Baubranche, die Gebäudereiniger und die Postdienstleister sind in das Entsendegesetz aufgenommen. Die Zeitarbeitsbranche und weitere zeigen auch Interesse. Ich rechne damit, dass im Sommer bis zu einer Million Menschen in Deutschland bessere Löhne bekommen. Im Übrigen finde ich die Kleinkämpfe, die jetzt so mancher gegen die Mindestlohngesetze führt, um möglichst niedrige Löhne durchzusetzen, einfach nur peinlich.

ABENDBLATT: Wirtschaftsministerium und Kanzleramt kritisieren, Sie seien mit den Gesetzentwürfen zum Mindestlohn über das Vereinbarte hinausgegangen...

SCHOLZ: Manche Fachbeamte und manche in der Union sind da einfach ein bisschen uncool. Wäre ich PR-Berater der Union, würde ich sagen: Unterschreibt, dann ist das Thema vom Tisch. Sonst bekommen die Wähler noch mit, dass sich die CDU für niedrigere Löhne stark macht. Ernsthaft: Ich bin da ganz unaufgeregt. Es gibt klare Vereinbarungen in der Koalition. Im Sommer sind die Gesetze da.

ABENDBLATT: Aber einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn haben wir dann immer noch nicht...

SCHOLZ: Stimmt. Den bekommen wir erst mit einem SPD-Kanzler.

ABENDBLATT: Oder mit einer Koalition mit der Linken...

SCHOLZ: Wir gehen keine Koalitionen mit der Linken ein. Weder im Bund noch in Hamburg.

ABENDBLATT: Die andere Option, sollte es für Rot-Grün in Hamburg nicht reichen, wäre eine Ampel-Koalition. Die FDP hat aber - wie in Hessen - abgelehnt. Ist das verantwortliche Politik, wenn die FDP sich unbequemen Koalitionen verweigert?

SCHOLZ: Parteien dürfen nicht muksch sein über Wahlergebnisse, das gehört sich nicht. SPD und Union sind nach der Bundestagswahl eine Koalition eingegangen - obwohl sich das beide vorher nicht vorstellen konnten. Auch die FDP in Hessen muss verantwortlich mit dem Wählervotum umgehen.

ABENDBLATT: Viele Menschen fragen sich, ob es sich überhaupt lohnt zu arbeiten, wenn man hinterher nicht mehr herausbekommt als die staatliche Unterstützung.

SCHOLZ: Na! Hinter diesem neoliberalen Gerede verbirgt sich eine geringe Achtung für die Arbeitsmoral vieler Bürger. Wenn manche wüssten, wie wenig viele in Deutschland verdienen! Für die allermeisten ist es eine Frage der Ehre, arbeiten zu gehen, für die Familie, für die Kinder selbst sorgen zu können! Wer solche Debatten führt, versündigt sich an denen, die hart arbeiten und dafür oft zu we-

nig Geld bekommen. Die, die so reden, sollten lieber mit dafür sorgen, dass die Bürger ordentliche Löhne und Gehälter erhalten und mehr in der Tasche haben, wenn sie arbeiten!