Auch andere Politiker mussten deutliche Niederlagen einstecken. Trotzdem konnten sie oft doch noch die eigene Macht retten.

Hamburg. Ohne Zweifel, Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der für die CDU zwölf Prozent Minus verglichen zum Rekordjahr 2003 eingefahren hat, ist schwer angeschlagen. Aber abgewählt? Vorsprung ist Vorsprung - und wenn er mit 0,1 Prozentpunkten oder 3595 Stimmen noch so knapp ist. Alles reine Interpretationssache also. Und jeder Politiker hängt an seinem Amt.

Kanzlerin Angela Merkel jedenfalls muss der Ausgang der Hessen-Wahl an die eigene Lage erinnern, als sie bei der Bundestagswahl im Herbst 2005 ähnlich knapp ins Ziel stolperte: mit einem Prozentpunkt Vorsprung vor der SPD. Damals war es Gerhard Schröder, der sich zunächst weigerte, sein Amt kampflos abzugeben. "Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel bei dieser Sachlage einginge, in dem sie sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden? Also, ich meine, wir müssen die Kirche doch mal im Dorf lassen", tönte Schröder damals.

Wenige Monate zuvor war die drastische Wahlniederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen für Schröder Anlass gewesen, die Vertrauensfrage zu stellen und den Bundestag aufzulösen. Mit 37,1 Prozent der Stimmen mussten die Sozialdemokraten ihr schlechtestes Ergebnis seit 50 Jahren hinnehmen. Was den Wahlverlierer Peer Steinbrück nicht hinderte, umgehend als Bundesfinanzminister zu reüssieren.

Ein ähnliches Comeback legte Sigmar Gabriel hin. 2003 versemmelte er als Ministerpräsident die Landtagswahl in Niedersachsen. Die SPD ernannte ihn zu ihrem "Popbeauftragten", was er nicht gern gehört hat. "Einen offiziellen Namen hat das Amt nicht", so Gabriel, heutiger Bundesumweltminister. In Sachsen vergeigte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) die absolute Mehrheit. Trotz Stimmenverlusten von 15,8 Prozent - die Partei verlor fast ein Drittel ihrer früheren Wähler - rettete sich Milbradt mit einer Großen Koalition wieder auf den Chefsessel. Ähnlich hart traf es die SPD in Sachsen-Anhalt. Sie sackte 2002 um 15,9 Punkte ab. Ministerpräsident Reinhard Höppner, der bislang von der PDS toleriert wurde ("Magdeburger Modell"), zog sich von allen Parteiämtern zurück. Eine Ausnahme.

Politik als Droge, Macht als Rausch, Jagd nach Posten. Oder daran klammern. So wollte Helmut Kohl (CDU) 1998 nach 16 Jahren im Amt unbedingt zum fünften Mal Kanzler werden. Er verlor. Heide Simonis (SPD), Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins, wollte partout nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie von der eigenen Partei im Landtag dreimal nicht wieder in ihr Amt gewählt wurde. Sie blamierte sich ein viertes Mal. Sogar für spätere Auftritte als Kandidatin in der TV-Tanzshow "Let's dance" war sie sich nicht zu schade und musste sich als "Hoppel-Heide" verspotten lassen.

In Baden-Württemberg weigerte sich Erwin Teufel (CDU) vergeblich, seinen Ministerpräsidentenposten nach 14 Jahren an Günther Oettinger zu übergeben: "Ich lasse mich nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank führen." Auch bei Edmund Stoiber (CSU) in Bayern musste die Einsicht erst reifen, zu gehen - bevor die Parteifreunde einen aus dem Amt mobben.

Rettungsanker für Koch könnte die Landesverfassung werden. Danach ist Koch so lange im Amt, bis eine neue Regierung gewählt ist. Das kann dauern. Bestes Beispiel ist der ehemalige SPD-Ministerpräsident Holger Börner, der 1982 seine Mehrheit verlor. Da die neu im Landtag vertretenen Grünen mit ihrem späteren Superstar Joschka Fischer sowie die CDU eine Zusammenarbeit mit der SPD ablehnten, blieb Börner im Amt. Fast drei Jahre lang, bis es doch zu einer rot-grünen Landesregierung kam. "Hessische Verhältnisse" eben. Neuauflage nicht ausgeschlossen.