Bund und Länder einig: Frühwarnsystem aus Behörden, Kitas und Schulen soll Risiko-Familien rechtzeitig erkennen helfen.

BERLIN. Das Hauptthema war eigentlich schon vor dem "Kinderschutzgipfel" vom Tisch: die Rechte der Kleinen in der Verfassung zu verankern. Kanzlerin Angela Merkel, früher selbst Sympathisantin dieser Idee, hatte sich schon vor Tagen mit der CDU-Führung geschlossen dagegengestellt. "Die Rechte der Kinder sind bereits im Grundgesetz enthalten", hieß es jetzt.

Stattdessen hat das von Merkel kurzfristig auf die Tagesordnung des Treffens mit den Ministerpräsidenten gesetzte Thema Kinderschutz hohe Aktualität bekommen. Die besonders alarmierenden Fälle von vernachlässigten Kindern in den vergangenen Monaten ließen auch keinen Aufschub mehr zu: Die fünfjährige verhungerte und verdurstete Lea-Sophie in Schwerin, die verdurstete 14 Monate alte Jacqueline in Bromskirchen (Hessen), der verhungerte zweijährige Benjamin aus Schlagenthin (Sachsen-Anhalt), der verdurstete knapp 10 Monate alte Leon aus Sömmerda (Thüringen).

Bei der Verbesserung der Vorsorge, wie sie jetzt von den Länder- Chefs mit Merkel vereinbart wurde, setzt sich zunehmend das "Saarländer Modell" durch. Hessen, Berlin, Niedersachsen und Hamburg sind dem Beispiel bereits gefolgt. Eltern werden verbindlich zu den Vorsorgeuntersuchungen ihrer Kleinkinder eingeladen. Erscheinen sie nicht, schaut das Jugendamt nach. Problemfälle sollen von der Geburt an betreut werden. Kinderärzte sollen nicht nur die medizinischen Daten erfassen, sondern verstärkt auch das soziale Umfeld abfragen, um Risiko-Familien zu erkennen.

Ein "Frühwarnsystem mit Datenvernetzung" ist das neue Stichwort. Es schließt neben Jugend- und Gesundheitsämtern, Kitas und Schulen ausdrücklich auch die Polizei ein. "Hier gilt der Grundsatz: Kinderschutz vor Datenschutz", wie es Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) ausdrückte. In Bayern wird unterdessen auch erwogen, noch einen Schritt weiterzugehen. Wer nicht zu den Vorsorgeuntersuchungen kommt, soll mit Sanktionen rechnen müssen - Kürzungen beim landeseigenen Erziehungsgeld beispielsweise. Den Weg der Pflichtuntersuchung mit gleichzeitiger Strafandrohung wollen die meisten Länder und der Bund allerdings nicht gehen.

Der SPD-Chef und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sagte: "Wir wollen nicht drohen, sondern Hilfsangebote machen." Mindestens 100 000 Kinder sind jährlich Opfer von Misshandlungen, schätzen Kinderschützer. Mehr als 150 Kinder kamen 2006 gewaltsam zu Tode.