Konkreter Verdacht in Essen, schwere Vorwürfe in Kiel: Reiche Araber und privat Versicherte finden schneller ein Spenderorgan und einen Operateur.

Hamburg. Eine anonyme E-Mail stand am Anfang einer Diskussion um Organspenden und Transplantationen, die jetzt auch die Bundesregierung erreicht hat. Ein Unbekannter hatte gegenüber der Staatsanwaltschaft Kiel Vorwürfe erhoben, im Uniklinikum Schleswig-Holstein würde das Transplantationsgesetz gebrochen. Angeblich seien bevorzugt Patienten aus dem arabischen Raum Organe verpflanzt worden. "Es gibt keinen Anfangsverdacht, sondern nur die Mail", sagte der Kieler Oberstaatsanwalt Uwe Wicke.

Doch der Wirbel um die Kieler Organtransplantationen hat den Flensburger Arzt und Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wodarg (SPD) auf ein heikles Thema gebracht: Wer bekommt in Deutschland welche Organe, und was kostet das? "Dabei geht es darum, einen Anfangsverdacht zu entkräften, dass Organe nach Geld vergeben werden", sagte Wodarg dem Abendblatt. Sprich: Wer zahlt, findet schneller ein Spenderorgan und einen Operateur.

Die Reaktion der Bundesregierung dokumentiert ihre Hilflosigkeit. Welcher Arzt was genau abrechnet, ist unklar. Eine Lebertransplantation inklusive Unterkunft und Verpflegung schlägt laut Kostenkatalog mit 101 790 Euro zu Buche. Für das Herz werden 119 144 Euro fällig.

Doch der Graubereich der Abrechnung ist groß, weil bei den Selbstzahlern, zu denen man privat Versicherte und ausländische Patienten zählen muss, deutlich mehr berechnet werden kann. Lakonisch heißt es in der Regierungsantwort von Staatssekretär Rolf Schwanitz, die dem Abendblatt vorliegt: "Angaben zur durchschnittlichen Höhe der für wahlärztliche Leistungen bei Organtransplantationen berechneten Honorare aller beteiligten Krankenhausärzte sind . . . nicht möglich."

Für Wodarg liegt die Vermutung nahe, dass die privat Versicherten bevorzugt werden (das Abendblatt berichtete). "Diese sogenannten Selbstzahler machen in Deutschland etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus, sie erhielten jedoch im Jahre 2005 über 20 Prozent aller Herzen und Lungen und 16 Prozent aller Nieren transplantiert."

Für das umgekehrte Verhältnis bei den Lebertransplantationen hat Wodarg auch eine Erklärung: "Lebererkrankungen, die eine Transplantation notwendig machen, kommen gehäuft in unteren Gesellschaftsschichten vor. Sie werden hervorgerufen durch übermäßigen Alkoholkonsum, Hepatitis und Krebserkrankungen, die sich zurückführen lassen auf Arbeit in der Umgebung von toxischen Stoffen."

Das Bundesgesundheitsministerium wies Wodargs Darstellung und seine Interpretation der Daten zurück. Ministerin Ulla Schmidt (SPD) versprach ihm jedoch Unterstützung bei der genaueren Recherche von möglichen Ungerechtigkeiten bei Transplantationen. Wodarg sagte: "Es wäre ein Vertrauensbruch gegenüber den altruistischen Organspendern, wenn deren selbstlose Spenden nach Profitgesichtspunkten vergeben würden."

Als Vizechef im Gesundheitsausschuss des Europarates sind Wodarg die illegalen Methoden beim Organhandel vertraut. Immerhin hat die chinesische Regierung jetzt versprochen, dass die Organe von Hingerichteten nur noch an die Angehörigen gehen sollen.

Schwere Vorwürfe gibt es gegen einen honorigen Mediziner in Essen. Anders als bei den Vorermittlungen in Kiel wurde Professor Christoph Broelsch bereits seines Amtes enthoben. Drei Staatsanwälte rückten an und beschlagnahmten Unterlagen bei ihm und in Abrechnungsbüros - auch in Hamburg. In der langen Liste der Vorwürfe gegen den früheren Leibarzt von Johannes Rau steht ein brisanter Punkt: Broelsch soll Geldspender bei Transplantationen bevorzugt haben.