Kommentar

Im Idealfall ist ein neues Parteiprogramm eine ermutigende Projektion in die Zukunft, in der eine Partei ihre Ziele aufzeigt - und die Wege, wie sie diese erreichen will. Der SPD ist dies mit der Vorlage des endgültigen Entwurfs zum "Hamburger Programm" nicht so ganz gelungen. Denn neben der Vision einer gerechten, friedlichen Zukunft, die die Verfasser versprechen, klingt immer wieder auch die Sorge um das durch, was uns möglicherweise in diesem noch jungen Jahrhundert erwartet.

Das ist nicht sehr geschickt. Denn auf der einen Seite will die SPD mögliche Wähler mit der Aussicht auf Wohlfahrt, Gerechtigkeit und Demokratie locken - und prognostiziert aber doch ein drastisches Gegenbild, mit erbitterten Verteilungskämpfen und entfesselter Gewalt. So schürt man Zukunftsängste - und zwar über Gebühr.

Die Angebote zum Schutz vor diesen schrecklichen Szenarien offenbaren allerdings eher ein rückwärts gewandtes als zukunftsorientiertes Ins-trumentarium. Das zeigt schon der Blick auf die Begrifflichkeiten: mit Althergebrachtem wie dem demokratischen Sozialismus will die SPD nicht brechen, und das Neue - den vorsorgenden Sozialstaat - allenfalls halbherzig wagen.

Stattdessen soll der Staat noch mehr Verantwortung übernehmen als bisher, und so gerät die unter Schröder angestrebte Balance vom "Fördern und Fordern" endgültig aus dem Gleichgewicht. Sollte die SPD künftig soziale Gleichheit über wahre soziale Gerechtigkeit, in der auch der Leistungsgedanke zählt, stellen, beginge sie einen gravierenden Fehler. Denn auch die Solidarität der jüngst viel gepriesenen und stark umworbenen "solidarischen Mehrheit" hat irgendwo ihre Grenzen.