Wieder Kritik an mangelnder Qualifikation der Deutschen. Verbände: “Schiefes Bild.“

BERLIN. Die Kritik der OECD an der im internationalen Vergleich niedrigen Akademikerquote in Deutschland ist auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Während die Opposition die Ergebnisse der jährlichen OECD-Bildungsanalyse als schallende Ohrfeige für die Bundesregierung bezeichnete, wiesen Unionspolitiker, der Deutsche Philologenverband und der Deutsche Lehrerverband die Kritik zurück. "Die OECD-Studie zeichnet ein schiefes Bild über die Qualifikation der Deutschen. Sie sind nicht unter-, sondern anders qualifiziert", sagte die bildungspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Ilse Aigner (CSU), dem Abendblatt. Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands sagte, die OECD verstünde nicht die Strukturen der beruflichen Ausbildung in Deutschland.

Nach dem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich erneut durchgefallen. Während die Bundesrepublik in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Studenten um fünf Prozent steigern konnte, legten die 29 anderen wichtigsten Industrienationen im Schnitt um 41 Prozent zu.

Bei den Ingenieur- und Bildungswissenschaften fiel die Absolventenquote in Deutschland unter das Niveau der Bestandssicherung, obwohl bei den Studierenden der Anteil der Ingenieure sogar über dem OECD-Durchschnitt liegt. Wegen der demografischen Entwicklung und der insgesamt niedrigen Studierendenzahlen in Deutschland reichen die absoluten Absolventenzahlen aber nicht aus, um den künftigen Bedarf zu decken. Auch beim Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife liegt Deutschland mit 38 Prozent gegenüber 49 Prozent im OECD-Mittel. Dabei ist ein Studium hierzulande der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit: Je geringer der Bildungsstand ist, desto stärker nimmt das Risiko zu, arbeitslos zu werden. OECD-Generalsekretär Angel Gurria machte erneut auf den engen Zusammenhang zwischen Herkunft und Schulbildung aufmerksam. Die Wahrscheinlichkeit eines Studiums für junge Männer und Frauen aus Arbeiterfamilien sei in Deutschland weniger als halb so hoch, wie es angesichts ihres Anteils in der Gesamtbevölkerung zu erwarten wäre.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, die Koalition sei sich durchaus bewusst, dass ein "deutlich höherer Anteil an Hochqualifizierten" nötig sei. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil forderte, die finanziellen Hürden abzubauen, die insbesondere junge Menschen aus sozial schwachen Familien vor einem Studium abschreckten.

Die bildungspolitische Sprecherin der Union, Ilse Aigner (CSU), gab jedoch zu bedenken, dass viele Länder, wie beispielsweise die USA, über kein berufliches Ausbildungssystem verfügten. "Wer dort kein Hochschulstudium hat, gilt als ungelernt. Deshalb sind Hochschulzugangsquote und die Hochschulabsolventenquote höher als in Deutschland." Die Akademikerquote sage nichts über die Qualität der Ausbildung aus.

Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Philologenverband, sagte, jeder Vergleich von Akademikerquoten "hinke". Während eine Krankenschwester in den USA einen Abschluss an einer Universität benötige, sei in Deutschland die Ausbildung zur Krankenschwester im beruflichen Ausbildungssektor angesiedelt. Der Hamburger CDU-Bildungsexperte Robert Heinemann sagte dem Abendblatt, die berufliche Ausbildung müsse international stärker anerkannt werden.