Sollte es eine Sicherungshaft geben? Darf man Terroristen gezielt töten? Fragen, die den einen wie den anderen Bundesinnenminister beschäftigten.

Hamburg. Es gibt Fragen, die lassen einen Innenminister - egal, welcher Partei er angehört - offenbar nicht los. "Wenn beispielsweise potenzielle Terroristen, sogenannte Gefährder, nicht abgeschoben werden können - was machen wir mit denen?" , fragte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in seinem "Spiegel"-Interview, das für so viel Aufsehen sorgt. Das ist eine zentrale Frage, die schon seinen SPD-Vorgänger im Amt, Otto Schily, schwer beschäftigte. Und auch seine Antworten, die teilweise deckungsgleich mit denen von Schäuble sind, ließen die Erregungskurven regelmäßig nach oben schnellen. Allerdings wagte damals ein Peter Struck nicht, seinen Parteikollegen einen "Amokläufer" zu nennen.

Gefährder werden jene Terrorverdächtige genannt, denen man einen Anschlag zutraut, eine entsprechende Planung aber nicht nachweisen kann. Lässt das Ausländerrecht eine Ausweisung zu, ist die Bedrohung zwar zunächst im Land gebannt. Ob der Gefährder aber auf anderem Weg nicht wieder einreist, ist nie sicher.

Kann man ihn nicht ausweisen, weil der Gefährder vielleicht einen deutschen Pass hat, er mit einer Deutschen verheiratet ist oder ihm in der Heimat Folter droht, muss er überwacht werden. Der Bund deutscher Kriminalbeamter hat einmal errechnet, dass für die Überwachung eines Gefährders etwa 30 Polizisten nötig wären. Das ist nicht nur angesichts von 10 000 eingesparten Polizistenstellen seit den Anschlägen vom 11. September 2001 nahezu unmöglich.

Schon Schily sprach sich - wie jetzt auch Schäuble - vor drei Jahren für die Möglichkeit einer Sicherungshaft, die in den Polizeigesetzen der Länder verankert wäre, aus. "Und wir müssen darüber reden, ob das Maß an Prävention, das unseren Polizeigesetzen heute schon eigen ist, genügt" , sagt Schäuble. In den Polizeigesetzen ist diese Möglichkeit bereits vorgesehen, um etwa Hooligans per Inhaftierung von Fußballspielen fernzu- halten. Ohne richterlichen Beschluss aber ist das nur bis zu zwei Tage möglich. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) unterstützte schon damals Schilys Pläne und sicherte ihm den Rückhalt der Union zu. Doch das rot-grüne Regierungslager war zu skeptisch. "Man könnte zum Beispiel bestimmte Auflagen für jemand erlassen, den man nicht abschieben kann, etwa ein Kommunikationsverbot im Internet oder mit dem Handy", meint Schäuble jetzt. Verschärft aber wurde die Überwachung "ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit" 2004 bereits unter Schily. Dazu zählt auch ein Handy- oder Internetverbot. In Paragraf 54a des Aufenthaltsgesetzes sind diese Einschränkungen vorgesehen.

Schäuble geht allerdings noch weiter als Schily und bringt einen Straftatbestand der Verschwörung ins Gespräch und sagt: "Kann man solche Gefährder behandeln wie Kombattanten und internieren?" Kombattanten können wie Kriegsgefangene behandelt werden.

Schäuble meint wie Schily damals meinte, dass der Staat im Kampf gegen den Terror auch rechtlich gerüstet sein muss. "Die rechtlichen Probleme reichen bis hin zu Extremfällen wie dem sogenannten Targeted Killing . . .", sagt Schäuble in dem "Spiegel"-Interview. "Wir sollten versuchen, solche Fragen möglichst präzise verfassungsrechtlich zu klären, und Rechtsgrundlagen schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten." Auch Schily warf die Frage nach einer gezielten Tötung von Terroristen auf mit dem drastisch klaren Satz: "Die Terroristen sollten aber wissen: Wenn ihr den Tod so liebt, dann könnt ihr ihn haben." Es geht beiden vor allem um die rechtlich ungeklärte Frage einer gezielten Tötung im Ausland, etwa in Afghanistan. Klare Antworten bleiben beide schuldig.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), einst Staatssekretärin von Schily, ist sich hingegen sicher: Sie lehnt die gezielte Tötung von Terroristen ab. Es gebe eine "rote Linie", die nicht überschritten werden dürfe, sagte sie der "Zeit": "Zum Beispiel die Menschenwürde, das Folterverbot und das Recht auf Leben, also das Verbot, mutmaßliche Terroristen gezielt zu töten." Schäuble heize die Debatte mit seinen Gedankenspielen unnötig an.