Kommentar

Die Baustelle "Familie" ist immer auch eine Baustelle "Gesellschaft": Wer diesen Satz banal findet, der versuche einmal, sich spontan an die familienpolitischen Errungenschaften früherer Bundesregierungen zu erinnern. Bei der Bilanz der aktuellen Familienministerin fällt das schon leichter. Elterngeld, Kitaplatz-Offensive, selbst das "Wickel-Volontariat": Ursula von der Leyen hat es endlich geschafft, das Thema "Kinder und Familie" in das Großhirn des kollektiven Bewusstseins zu rücken - als Top-Aufgabe für die Zukunft.

Das allein ist schon eine gute Nachricht. Und man sollte sie so lange rot unterstreichen, bis die Verantwortlichen für den angekündigten Ausbau der Betreuungsplätze auf 750 000 im Jahr 2013 auch die dafür nötigen vier Milliarden Euro aus den Etats von Bund, Länder und Kommunen kratzen. Die zweite gute Nachricht: Hamburg mutiert - man glaubt es kaum - zur Speerspitze dieser neuen Familienpolitik. Denn das Hamburger System der Kita-Gutscheine, in dem nicht der Staat die Anzahl und Belegung der Betreuungsplätze vorgibt, sondern sich Eltern ihren Betreuungsplatz selbst aussuchen können, fördert den Wettbewerb der besten Betreuungseinrichtungen und lässt den Markt des Kinderhortens wachsen - zum Wohle aller Beteiligten.

Es ist gut zu sehen, dass Politik aus eigener Kraft zu solchen Lösungen kommt. Darum sollte sich dieser Gestaltungswille auch dazu aufraffen, offene Fehler des Systems zu korrigieren. Zum Beispiel die Koppelung des Ganztagesgutscheins an die Erwerbstätigkeit der Eltern. Gerade die Hamburger Erfahrungen zeigen: Dies benachteiligt vor allem Kinder aus sozial schwächeren Familien mit arbeitslosen Eltern. Und gerade hier, in den dunkleren Ecken unserer Baustelle "Gesellschaft", sollten wir helfen.