Kommentar

Viele Genossen fragen sich, ob die wirklichen Genossen mittlerweile alle bei der Linkspartei sind. Ihre eigene Parteiführung jedenfalls zählen sie mehrheitlich nicht dazu. Die jüngste Umfrage unter SPD-Mitgliedern zeichnet ein verheerendes Bild: Kein Vertrauen in die eigenen Spitzenpolitiker, im Gegenteil, das Wort Verrat macht die Runde. Verrat an sozialdemokratischen Prinzipien.

Was diese Parteimitglieder ausdrücken wollen, hat nichts mit Parteiprogrammen zu tun. Die werden umgeschrieben auf geduldigem Papier. Hier geht es um mehr, hier geht es um ein Gefühl. Die SPD hat den Ruf, um sozialen Ausgleich bemüht zu sein, für eine Verteilung von oben nach unten zu wirken und gerade die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft zu versorgen. Wer daran festhält, kann sich mit Recht verraten fühlen.

Allein - mit diesen Prinzipien konnte die SPD kaum mehr erfolgreich Politik machen. Gerhard Schröder hat das erkannt. Die von seiner rot-grünen Regierung eingeleitete Umsteuerung wird allgemein als wesentlicher Grund für den aktuellen Aufschwung gesehen. Nur ist der, anders als in früheren Jahrzehnten des Industriezeitalters, für viele Arbeitnehmer nicht mit wachsenden Annehmlichkeiten verbunden. Im Gegenteil, Härten nehmen zu: längere Arbeitszeiten ohne mehr Geld, jahrelang knappe Lohnerhöhungen, Angst um den Arbeitsplatz. Manch einer hat vom satten Drei-Prozent-Aufschwung gar nichts.

Die Linkspartei hat erkannt, dass viele Wähler eine Partei suchen, die weniger Konzepte aber dafür mehr Identifikation und Wohlfühlen bietet. Wenn es der SPD nicht gelingt, auf diesem emotionalen Feld gegenzuhalten, werden sich ihre Probleme weiter vergrößern, so richtig ihre politischen Ansätze auch sein mögen.