Die Bundesärztekammer hat vor einem leichtfertigen Umgang mit Medikamenten gewarnt. "Wir erliegen zu oft der Illusion, dass mit einer Tablette alle möglichen Befindlichkeitsstörungen beseitigt werden können", erklärte die Vorsitzende des Ausschusses Sucht und Drogen im Spitzenverband, Astrid Bühren, gestern bei der Vorstellung eines neuen Leitfadens zur Medikamentensucht. Dieses "unreflektierte Reparaturbedürfnis" verhindere eine zielgerichtete Therapie und könne schnell zu einer Gewöhnung, schlimmstenfalls zu einer Abhängigkeit führen.

Expertenschätzungen zufolge sind etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig. Jeder sechste erwachsene Bundesbürger versucht demnach mindestens einmal pro Woche mit einem Medikament sein Befinden zu verbessern. Dazu gehören vor allem Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel. Der oft schleichende Prozess einer Abhängigkeit wird den Experten zufolge von der Außenwelt kaum bemerkt. Mit dem Alter steigt auch die Gefährdung. Zudem sind Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Etwa 80 Prozent der Erkrankten sind von rezeptpflichtigen Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen abhängig, die vor allem bei unspezifischen Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Unausgeglichenheit und Lustlosigkeit sowie Angst- und Stresssymptomen verschrieben werden.

Die Bundesärztekammer forderte die Mediziner auf, bei der Verordnung solcher Arzneimittel auf die Verschreibungsdauer und Mengen zu achten. Der neue Leitfaden soll zu einer frühen Erkennung von suchtgefährdeten Patienten beitragen. Er listet problematische Arzneien und ihre Wirkungen auf und gibt Hinweise zur Diagnostik und Therapie.