Opposition kritisiert “Wettlauf an Schäbigkeit“. Niedersachsen moniert noch immer zu hohe Kosten.

BERLIN. Nach der Koalitions-Einigung über das Bleiberecht sollen die rund 180 000 bislang geduldeten Ausländer voraussichtlich vom 1. Juli an Anspruch auf gesicherten Aufenthalt in Deutschland erhalten. Das Bundeskabinett will nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch vor Ostern einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschieden.

Eine Spitzenrunde von Union und SPD hatte die letzten Streitpunkte nach jahrelangen Auseinandersetzungen ausgeräumt. Danach sollen für geduldete Ausländer keine höheren Sozialleistungen anfallen. Merkel und andere Koalitionspolitiker sprachen von einem "guten Kompromiss". SPD-Chef Kurt Beck begrüßte die Einigung als "menschenwürdig".

Das CDU-geführte Niedersachsen lehnte auch das neue Konzept als "unbefriedigend" ab. Die Landeskassen würden durch dauerhafte öffentliche Leistungen zusätzlich belastet, sagte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Nach Angaben von Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) wird sich an den Kosten nichts ändern. Die geduldeten Flüchtlinge würden Hilfen in etwa der Höhe von Arbeitslosengeld II erhalten.

Auf Druck Bayerns beschloss die Koalition, dass es jedem Bundesland freigestellt wird, Flüchtlingen lediglich Sachleistungen wie Lebensmittel und Sammelunterkünfte statt direkte finanzielle Unterstützung zu geben. Sie haben vor der Arbeitsaufnahme auch keinen Anspruch auf Leistungen wie Elterngeld. Ein Nachzug von Familienangehörigen wurde ebenfalls ausgeschlossen. Nach Ansicht von CSU-Chef Edmund Stoiber läuft die zwischen ihm, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie Müntefering und dem Kieler Innenminister Ralf Stegner (beide SPD) vereinbarte restriktive Ausgestaltung des Bleiberechts auf einen "Aufenthaltsstatus minderen Rechts" hinaus.

Stegner betonte, es bleibe bei der ursprünglichen Absprache von Union und SPD, wonach geduldete Ausländer, die bis Ende 2009 einen Arbeitsplatz finden, in Deutschland bleiben können. "Zur Gesichtswahrung der bayerischen Position" habe die SPD in "kleinen Details" Änderungen zugestimmt. Nach seinen Angaben müssen Länder wie Bayern und eventuell Niedersachsen, die von Sachleistungen Gebrauch machten, dafür selbst bezahlen. Die meisten anderen Länder, die auf die Regelungen nach der Arbeitsmarktförderung setzten, bekämen das Geld dagegen vom Bund. Stegner zeigte sich davon überzeugt, dass auch geduldete Ausländer, die bis 2009 keine Arbeit vorweisen, danach nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Die Gründe wie Bürgerkriege oder religiöse Verfolgung, die heute bereits einer Abschiebung entgegenstünden, seien dann ja nicht vom Tisch.

Eine Aufenthaltserlaubnis sollen Alleinstehende erhalten, wenn sie mindestens acht Jahre in Deutschland leben. Bei Familien mit Kindern reichen sechs Jahre aus. Voraussetzung sind neben einem Arbeitsplatz ausreichende Deutschkenntnisse und keine Vorstrafen. Es darf auch kein Terrorverdacht gegen sie vorliegen. Nach Schätzungen von Fachleuten kommen für den gesicherten Aufenthaltsstatus deshalb lediglich etwa 40 000 der insgesamt 180 000 geduldeten Flüchtlinge infrage. Darüber hinaus will die Koalition mehrere EU-Richtlinien in deutsches Recht umsetzen. Dazu gehört auch ein Mindestalter von 18 Jahren für beide Ehegatten zum Schutz vor Zwangsehen und ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel für die Mitwirkung bei Strafprozessen.

Die Opposition kritisierte einen Teil der Regelungen als "skandalös und ungeheuerlich" sowie als "Wettlauf an Schäbigkeit".