BERLIN/HAMBURG. Bundespräsident Horst Köhler hat sich im Streit über den Ausbau der Hilfen für Familien mit Kindern hinter Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) gestellt.

"Unsere Familien und die Gesellschaft insgesamt brauchen unbestreitbar mehr Kinderbetreuungsplätze", sagte Köhler der Wochenzeitung "Die Zeit". Der in der Union umstrittene Kurs von der Leyens sei keine Abkehr vom traditionellen Familienbild, wonach Frauen hauptsächlich für die Kindererziehung zuständig seien. Es sei jedoch Realität, dass viele Frauen berufstätig sein wollten oder aus finanziellen Gründen arbeiten müssten.

Diesen Frauen müssten mehr Angebote für die Betreuung ihrer Kinder gemacht werden, sagte der Bundespräsident. "Nur so wird die Wahlfreiheit in der Familienpolitik glaubwürdig."

Die Sozialdemokraten wollen beim Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz Druck auf die Union machen und schon in Kürze dazu einen Gesetzentwurf vorlegen. "Die Zeit der Sprücheklopferei ist vorbei", erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Olaf Scholz. Wer die SPD-Finanzierungsvorschläge ablehne, müsse eigene Zahlen nennen.

Am kommenden Montag will der Koalitionsausschuss von Union und SPD über das weitere Vorgehen sprechen.

Von der Leyen hatte vorgeschlagen, die Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro jährlich für die Aufstockung der Betreuungsplätze auf Bund, Länder und Kommunen zu verteilen. Die SPD will die Ausgaben möglichst ohne neue Schulden aus den vorhandenen Finanzmitteln umschichten und plädiert weiter für eine Aussetzung der Erhöhung des Kindergelds.

Nordrhein-Westfalen lehnt einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab. Das Land werde bis 2010 für 20 Prozent der unter Dreijährigen 70 000 Plätze bereitstellen, sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).

Falls der Bund einen stärkeren Ausbau wolle, müsse er auch die Mittel dafür zur Verfügung stellen, so Rüttgers.

Die Frühförderung im Kindergarten kommt nach Ansicht des Ulmer Hirnforschers Manfred Spitzer noch immer zu kurz. "Dafür wird nach wie vor überhaupt nicht genug getan", kritisierte Spitzer im Vorfeld der EU-Bildungsministerkonferenz. Andere Länder wie Frankreich und Skandinavien seien da weiter als Deutschland. Die Gefahr, dass die Kinder überfordert werden, sieht der Psychiater nicht: "Babys sind doch wahre Lernwunder. Wenn die Kinder aber erst in der Schule sind, ist längst alles zu spät."