BERLIN. In der Affäre um die jahrelange Guantanamo-Haft von Murat Kurnaz war Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an der grundsätzlichen Entscheidung beteiligt, den aus Bremen stammenden Türken nicht nach Deutschland zurückkehren zu lassen. Das bestätigte am Freitag erstmals ein Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin. Steinmeier habe an der Sitzung der deutschen Geheimdienstpräsidenten am 29. Oktober 2002 teilgenommen, in der die Wiedereinreise des damals 20-Jährigen abgelehnt wurde.

Steinmeier selbst sagte dazu der "Bild": "Die Alternative lautete doch nicht Deutschland oder Guantanamo. Was sprach denn gegen seine Entlassung in die Türkei, wo seine Ehefrau und weitere Familienangehörige leben? Die Bundesregierung hat die Freilassung von Kurnaz zu keiner Zeit hintertrieben. Niemand von uns wollte ihn in Guantanamo schmoren lassen." Die Amerikaner hätten zudem bis zuletzt Sicherheitsbedenken gehabt.

Kurnaz' Rechtsanwalt Bernhard Docke forderte von Steinmeier eine Entschuldigung. "Mir geht es nicht darum, politische Köpfe rollen zu sehen. Mir geht es darum, dass die Verantwortlichen dazu stehen, dass Herr Kurnaz Opfer einer schreienden Ungerechtigkeit wurde", sagte Docke. Die Regierung verfolge die Verteidigungslinie, Kurnaz sei gefährlich gewesen. "Es gab im Herbst 2001 Indizien, die den Verdacht nahelegen konnten, dass Murat Kurnaz Kontakte in die islamistische Szene habe." Diesem Verdacht sei die Bremer Staatsanwaltschaft nachgegangen und vor der Weichenstellung im Bundeskanzleramt im Oktober 2002 gegen Kurnaz zum Ergebnis gekommen: "Da ist nichts dran." Auch deutsche und US-Ermittler hätten Kurnaz bereits damals als unschuldig und naiv bezeichnet.

Die ARD und die "Süddeutsche Zeitung" berichteten, der Verfassungsschutz habe Kurnaz auch noch nach seiner Rückkehr im August 2006 beobachtet. Der Grund: Es sei nicht auszuschließen gewesen, dass er in Guantanamo radikalisiert wurde und in Bremen als Märtyrer hätte auftreten können. Die Beobachtung soll beendet sein.

AA-Sprecher Jens Plötner sagte, Steinmeier werde im Untersuchungsausschuss des Bundestags alle Zweifel an dem damaligen Verhalten der Regierung anhand einer Reihe von Fakten ausräumen.

Über ihre Botschaft in Berlin wies die türkische Regierung am Freitag Vorwürfe zurück, die Türkei habe sich während der Internierung von Kurnaz nicht mit dessen Lage befasst. Die türkische Regierung habe sich von Anfang an bei US-Behörden nachdrücklich dafür eingesetzt, dass im Falle einer Anklage gegen türkische Guantanamo-Häftlinge diese vor Gericht gestellt oder andernfalls freigelassen werden müssten.