Gesundheitsreform: Union lehnt höhere Beitragsbemessungsgrenze ab. Bundesministerium erwägt, eine Mindestzahl an Mitgliedern festzulegen.

BERLIN. Wenige Tage vor der Entscheidung über die Gesundheitsreform sind zentrale Finanzierungsfragen zwischen Union und SPD umstritten. Die Union lehnte die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen ab. Am Donnerstag und Freitag wollen die Koalitionsexperten eine Teilfinanzierung des Gesundheitswesens aus Steuern näher bestimmen.

Die Einigung auf Steuermilliarden fürs Gesundheitswesen löste eine Welle der Kritik aus. "Ein höherer Steueranteil macht nur dann Sinn, wenn wir verhindern, daß sich die Leistungsfähigen entziehen können", sagte Edda Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Linksfraktionschef Oskar Lafontaine sprach von "Hartz V" und einer drohenden sozialen Schieflage. Nach Angaben von CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sei bei der Steuerfinanzierung ein Umfang von 16 Milliarden Euro für die Union das "Ende der Fahnenstange".

Das Gesundheitsministerium bestätigte, daß die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen und die Verwaltungskosten stark sinken sollen. Diskutiert werde eine Mindestgröße von 100 000, 500 000 oder einer Million Mitglieder. Auch Zusammenschlüsse etwa einer AOK mit einer Ersatz- oder Betriebskrankenkasse sollen möglich werden. Die Betriebskrankenkassen sprachen von einer "Zwangsvereinigung der kleineren und effizienten Krankenkassen".

Weiter unklar ist, wie Union und SPD das 2007 erwartete Defizit der Kassen von rund sieben Milliarden Euro schließen wollen. Die AOK warnte vor einem Beitragsplus um bis zu 0,8 Prozentpunkte "irgendwann 2007".

Laut "Süddeutscher Zeitung" sind in der Koalition neben einer Anhebung der Bemessungsgrenze, bis zu der prozentuale Beiträge fällig sind, mehrere Varianten gegen das drohende Finanzloch im Gespräch. Dazu gehörten Beitragsanstieg, Erhöhung des Sonderbeitrags von 0,9 Prozent, den die Kassen-Mitglieder seit 2005 zahlen müssen, oder die Zahlung von Milliardenabschlägen der Privatkassen.

Der AOK-Vorstandsvorsitzende Hans Jürgen Ahrens sagte, die Krankenversicherungen sollten von der Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgenommen werden, "bis eine Finanzreform auf die Beine gestellt ist". Agrarminister Horst Seehofer (CSU) sagte, frühere Strukturreformen seien am Widerstand der Lobbyisten gescheitert. Nun müßten schlagkräftigere Kassen und mehr "soziale Marktwirtschaft" im Gesundheitswesen geschaffen werden.