Übersiedler klagt wegen “nachträglicher Rentenkürzung“

Hamburg. Wer vor dem Fall der Mauer aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik übersiedelte - sei es, weil die Flucht gelang oder das aufreibende Ausreiseverfahren letztlich von Erfolg gekrönt war - sollte sich dringend um seinen Rentenverlauf kümmern. Denn in vielen Fällen wird die Rente niedriger ausfallen als erwartet. Ursache ist eine Gesetzesänderung von 1991, von der die Betroffenen aber weder von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) noch den Landesversicherungsanstalten informiert worden sind. Betroffen sind alle, die vor dem 19. Mai 1990 übersiedelten und nach 1936 geboren wurden.

Es geht um die Berechnungsgrundlage. Wer zum Beispiel im Alter von 40 Jahren 1980 in die Bundesrepublik übersiedelte und in einer westdeutschen Stadt einen Arbeitsplatz bekam, wurde von diesem Zeitpunkt an in der Rentenversicherung geführt. Für die Arbeitsjahre in der DDR wurde das sogenannte Fremdrentengesetz angewandt. Dabei wurde für die Arbeit in der DDR ein westliches Gehalt zugrunde gelegt, nicht das tatsächliche Einkommen.

Das änderte sich mit dem Rentenüberleitungsgesetz von 1991. Seitdem wird für diese Gruppe das tatsächliche Einkommen nach DDR-Sozialversicherungsausweis zugrunde gelegt. "Das macht in meinem Fall mehr als 260 Euro aus", sagt Lothar Gebauer. Der Ingenieur für Regelungstechnik kam 1984 nach einem mühsamen Ausreiseverfahren in die Bundesrepublik. Als er 1988 seinen Rentenverlauf festlegen ließ, wurden ihm seine Arbeitsjahre in der DDR mit dem Vermerk "FRG" (Fremdrentengesetz) angerechnet. Weil er gern etwas früher in den Ruhestand gehen wollte, erhielt Gebauer 1999 einen neuen Verlauf mit vollkommen anderen Zahlen. "Ich traute meinen Augen nicht", sagt er.

Die BfA bestätigt diese Praxis. "Wir kennen das Problem. Aber wir handeln nach geltendem Recht", sagte Behördensprecherin Katrin Gleibs. Und es seien auch keinesfalls alle Übersiedler negativ betroffen.

Lothar Gebauer empfindet diese Praxis als ungerecht. "Mir wird nachträglich die Rente gekürzt, und ich werde darüber nicht einmal informiert. Das empfinde ich als Skandal", sagt er. Hinzu kommt, daß ein alter Freund und Kollege von Gebauer, der nicht übersiedelte und nach DDR-Recht Anspruch auf die Zusatzversorgung für Hochqualifizierte - die sogenannte "Intelligenz-Rente" - hat, laut Rentenverlauf im Alter finanziell besser gestellt ist als der Übersiedler.

"Ich bin unter großen Gefahren, unter Aufgabe meines gesamten Besitzstandes, mit viel Verantwortung für das Wohlergehen meiner Familie und mit viel Mut in die Bundesrepublik übergesiedelt. Ich habe seither mit Fleiß und einigem Können eine neue Existenz aufgebaut. Zu meinem Rentenbeginn im Jahre 2008 werde ich 24 Jahre Höchstbeiträge in die deutschen Sozialkassen gezahlt haben. Damit sollte man sich das Recht erarbeitet haben, vom Staat und von den Sozialkassen gerecht behandelt zu werden", sagt Gebauer. Er hat Klage eingereicht und ist entschlossen, bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.