Versammlungen von Neonazis an sensiblen Orten sollen verboten werden. Grüne und FDP haben noch Bedenken.

Berlin. Über eine Neufassung des 50 Jahre alten Versammlungsrechts wird schon seit Jahren in der Koalition diskutiert. Bisher hatten die Grünen, die bekanntlich über eine demonstrationsfreudige Klientel verfügen, immer Vorbehalte. Erst jetzt, da in knapp drei Monaten am 8. Mai zum 60. Jahrestag des Kriegsendes wieder ein Aufmarsch der Rechten am Brandenburger Tor droht, bewegt sich der kleine Koalitionspartner. Die Grünen begrüßten zunächst "die Intention" der Regierungsmitglieder, meldeten aber gleichzeitig Gesprächsbedarf an. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: "Man bekämpft Rechts nicht, indem man Rechte einschränkt."

Ihre Bedenken richten sich gegen die Pläne von Innenminister Otto Schily und Justizministerin Brigitte Zypries (beide SPD), das Versammlungsrecht angesichts der immer dreister werdenden NPD-Aktionen zu verschärfen. Insbesondere soll verhindert werden, daß an ehemaligen Konzentrationslagern die Rechten mit Fahnen und Trommeln aufziehen - oder auch in Berlins Mitte, in unmittelbarer Nähe des Holocaust-Mahnmals. An diesen Orten soll es generell keine rechten Aufmärsche geben. Außerdem soll die Verherrlichung des Nationalsozialismus auf offener Straße verhindert werden. Vorgeschlagen wird, den Tatbestand der Volksverhetzung zu erweitern. Wer etwa öffentlich Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß als Vorbild für Deutschland hinstellt, muß künftig mit Strafverfolgung rechnen. Auch wer die Ausbeutung der Zwangsarbeiter lobt, soll sich strafbar machen.

Grüne und auch Freidemokraten haben die Furcht, daß die vorgestellten Änderungen vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnten. Dann würden die Rechtsextremen zum zweiten Mal in Karlsruhe siegen. 2003 war das Verbotsverfahren gegen die NPD wegen des Einsatzes von V-Männern des Verfassungsschutzes in der Partei vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Mit den nun vorgestellten Maßnahmen soll es wenigstens ein NPD-Verbot light geben, denn ein neues Verbotsverfahren ist zunächst nicht in Sicht.

Die Gefahr eines erneuten Schiffbruchs vor Gericht besteht durchaus: Karlsruhe hat der Versammlungs- und Meinungsfreiheit stets einen hohen Stellenwert zugemessen. Die Demonstrationsfreiheit, so ein Urteil des Gerichts, sei ein "wesentliches Element demokratischer Offenheit". Es gewährleiste "ein Stück ursprünglicher ungebändigter unmittelbarer Demokratie".

Der Union wiederum gehen die Pläne nicht weit genug. Rechte Aufmärsche am Brandenburger Tor können damit nicht in jedem Fall verhindert werden. Wenn die NPD etwa "nur" gegen den Sozialabbau demonstriere, würden auch die neuen Vorschriften nicht greifen. Ausweg für CDU und CSU wäre, den sogenannten befriedeten Bezirk rund um den Bundestag bis zum Brandenburger Tor auszudehnen. In diesem Bereich dürfte dann nur mit Genehmigung des Bundestagspräsidenten demonstriert werden.