Laurenz Meyer: Der CDU-Generalsekretär zur Integration von Ausländern und der hohen Arbeitslosigkeit unter türkischen Jugendlichen

Berlin. Die SPD hat die von der Union angestoßene Patriotismusdebatte als Ablenkungsmanöver gewertet und einen Verfassungseid für Ausländer - wie von CSU-Chef Edmund Stoiber gefordert - abgelehnt. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter bezeichnete CDU-Chefin Angela Merkel gestern als "Verlegenheits-Patriotin". CSU-Generalsekretär Markus Röder nannte diese Äußerung unverschämt. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, der Vorschlag Stoibers habe in ihrer Partei "wenig Begeisterung" ausgelöst. Es könne aber Sinn machen, Einbürgerungen feierlich zu vollziehen.

Über das Thema sprach das Abendblatt mit CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer.

ABENDBLATT: Herr Meyer, warum entdeckt die Union jetzt das Thema Patriotismus wieder - weil Sie auf anderen Feldern wie der Gesundheitspolitik Probleme hat und davon ablenken will?

LAURENZ MEYER: Weder noch. Viele Menschen verspüren gerade in dieser Zeit der Globalisierung das Bedürfnis, Heimat zu haben und für sich Identität sicherzustellen. Wir von der Union haben das immer wieder angesprochen. Jetzt ist es stärker ins öffentliche Bewußtsein gedrungen. Das begrüße ich sehr.

ABENDBLATT: Was verstehen Sie persönlich unter Patriotismus?

MEYER: Patriotismus ist für mich der Grund, Politik zu machen. Ich will mit meinem Engagement etwas für unser Land und für die Menschen hier erreichen. Deshalb will ich mich auch nicht damit abfinden, daß sich Deutschland mit all seinen Kapazitäten und mit seinen gut ausgebildeten Menschen in Europa und sogar darüber hinaus am Ende der Erfolgskala befinden. Das paßt doch nicht zusammen.

ABENDBLATT: Was verlangen Sie von Ausländern, die hier leben? Fordern Sie die Anerkennung einer deutschen Leitkultur inklusive Eid aufs Grundgesetz, wie ihn jetzt CSU-Chef Stoiber gefordert hat?

MEYER: Ich will dem nicht widersprechen. Aber wir sollten nicht in erster Linie über Begriffe diskutieren. Ein türkischer Mitbürger, der sich hier für seine Leute und für unser Land engagiert, der kann ein genauso guter Patriot sein wie ein Deutscher. Mir erscheint zentral wichtig, daß sich Ausländer, die hier leben, zu unserer christlich-humanistischen Tradition und damit auch zu den demokratischen Prinzipien unserer Verfassung bekennen und zwar durch Handeln und nicht nur durch ein formales Bekenntnis.

ABENDBLATT: Was heißt das konkret?

MEYER: Das fängt damit an, daß man die Abschottung von Kindern, insbesondere Mädchen, beendet, die manche Muslime aus religiösen Gründen betreiben. Es fängt auch damit an, daß die Lebenssituation von Frauen in Deutschland eben nicht dem Frauenbild von islamischen Fundamentalisten entsprechen darf. Aber es geht noch weiter. Unter türkischen Jugendlichen ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Weil sie kein Deutsch konnten, als sie in die Schule kamen, haben sie häufig keinen Schulabschluß und auch keine abgeschlossene Berufsausbildung. Da sitzen wir auf einem Pulverfaß. Daß dieses Thema jetzt wirklich diskutiert wird, ist ein Fortschritt in der Debatte. Die Menschen erkennen, daß es zum großen Schaden für alle ist, wenn wir hier nicht handeln.

ABENDBLATT: Besteht nicht die Gefahr, daß die Debatte leicht einen anti-türkischen und anti-islamischen Zungenschlag bekommen kann und dann Ausgrenzung statt Integration fördert?

MEYER: Wir können das verhindern, indem wir einen falschen Zungenschlag in der Debatte vermeiden. Aber auch die hier lebenden Ausländer können Beiträge dazu leisten. Wer nicht dafür sorgt, daß die Minderheit von Islamisten in Deutschland isoliert und auch mit den Mitteln des Rechtsstaates bekämpft wird, der tut der gemeinsamen Sache und der Integration keinen Dienst. Es darf also keine Solidarisierungseffekte mit Islamisten geben. Es muß aufhören, daß die hier lebenden Türken die gemeinsame türkische Staatsangehörigkeit und das gemeinsame Bekenntnis zum Islam höherstellen als unsere Verfassung und unsere Gesetze.

ABENDBLATT: Was wollen Sie dagegen tun?

MEYER: Wir müssen mit den gemäßigten Muslimen darüber reden, daß auch sie die Verpflichtung haben, islamistische Hetzer zur Rede zu stellen und gegen sie vorzugehen. Die Radikalen sind eine kleine Minderheit. Aber es besteht die Gefahr, daß die große Mehrheit in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn sie sich mit den Radikalen nicht kritisch auseinandersetzt. Interview: Andreas Thewalt