Haushaltsdebatte: Union und FDP werfen der Koalition Verfassungsbruch vor. SPD spricht von “Verfahrensspielchen“.

Berlin. Ein Verstoß gegen den Euro-Stabilitätspakt wäre "tödlich für die gemeinsame Währung", sagte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) - das war im September 2001.

Mittlerweile hat Deutschland drei Jahre in Folge gegen die Bestimmungen des Paktes verstoßen. Und gestern verhinderte Eichel bei einem Treffen mit seinen europäischen Kollegen in Brüssel zusätzliche EU-Sparauflagen wegen der zu hohen Neuverschuldung. Sieben EU-Finanzminister stimmten für Eichel, vier Länder gegen ihn: Spanien, Niederlande, Finnland und Österreich.

Glück für den Finanzminister: Neue Sparauflagen hätten Eichels Haushaltsentwurf 2004 endgültig durcheinander gebracht.

Denn der 257,3 Milliarden Euro umfassende Etat 2004 basiert auf den von Rot-Grün beschlossenen Reformen, über die derzeit Regierung und Opposition aber noch im Vermittlungsausschuss verhandeln. Er sieht nach dem Rekorddefizit in diesem Jahr von 43,4 Milliarden Euro für 2004 eine Netto-Kreditaufnahme von 29,3 Milliarden Euro vor. Die Investitionen des Bundes liegen mit 24,6 Milliarden Euro - wie schon 2003 - darunter.

Damit hat die Neuverschuldung zwar die zulässige Grenze in Höhe der Investitionsausgaben überschritten. Eichel will aber wie schon in diesem Jahr eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" ausrufen, womit der Etat doch noch verfassungskonform wäre. Union und FDP werfen der Koalition dagegen vor, einen verfassungswidrigen Etat vorgelegt zu haben, der zudem Risiken von bis zu 20 Milliarden Euro enthalte. Auch der Bundesrechnungshof kritisierte die rot-grüne Haushaltspolitik. Der Bundeshaushalt 2003 sei ein Etat der "unerfreulichen Superlative", sagte Rechnungshof-Präsident Dieter Engels. Auch 2004 werde die Nettokreditaufnahme die Investitionen übersteigen - und damit die zulässige Obergrenze das dritte Mal in Folge.

Als gestern Nachmittag die Etatberatungen mit sechsstündiger Verspätung begannen, weil noch Eichels Rückkehr aus Brüssel abgewartet wurde, scheiterten FDP und Union jedoch mit dem Antrag, die Beratungen auf Mitte Dezember zu verschieben. Die Opposition hatte argumentiert, zunächst müssten die Reformverhandlungen im Vermittlungsausschuss abgeschlossen sein, um die Auswirkungen der Beschlüsse in den Haushalt einzurechnen.

FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin nannte den Etatentwurf weder verhandlungs-, noch beschlussfähig. Der Minister habe nur mit "haushaltspolitischen Tricks" überhaupt einen Etat vorlegen können. Der Haushaltsexperte der Union, Steffen Kampeter, sagte, "vorsätzlicher Verfassungsbruch", wie ihn Eichel plane, sei kein Kavaliersdelikt. Rot-Grün versündige sich am Erbe der Deutschen Mark. Für den Haushaltsentwurf gelte: "Selbst der Wetterbericht ist mittlerweile zuverlässiger."

SPD-Finanzexperte Joachim Poss sagte, die Bürger seien die "taktischen Spielchen der Opposition leid. Das Argument, der Haushalt dürfe erst verabschiedet werden, wenn alles geklärt sei, nannte Poss unsinnig. Er appellierte an Union und FDP: "Hören Sie endlich auf mit den Verfahrensspielchen." Rot-Grün will den Haushalt planmäßig am Freitag verabschieden.