Kommentar

Der 25. November 2003 war ein schwarzer Tag für Europa. Zwölf Finanzminister der Eurozone haben in einer langen Nachtsitzung gestritten, argumentiert, geschachert - und am Ende hat die Macht über die Vernunft gesiegt. Die Schuldenmacher Deutschland und Frankreich müssen nun doch keinen härteren Sparkurs einschlagen. Obwohl die EU-Kommission dies verlangt hatte. Auch von Strafzahlungen bleiben Europas Riesen verschont. Obwohl der Maastricht-Vertrag diese eigentlich vorschreibt. Finanzminister Hans Eichel feiert sich als Sieger, spricht von einer "bestmöglichen Lösung". In Wirklichkeit dürfte es sich um einen Pyrrhussieg handeln.

Europa ist seit gestern politisch zerrissen. Die Mehrheit der EU-Staaten hat sich nicht zuletzt aus Machtkalkül hinter Deutschland und Frankreich geschart. Spanien, Finnland, Österreich, die Niederlande und allen voran die EU-Kommission fühlen sich dagegen brüskiert, sprechen offen von einem schweren Fehler. Sie verlangen eine strikte Einhaltung des Maastricht-Vertrages. Zu Recht. Denn Verträge sind das Fundament eines gemeinsamen Europas. Werden ihre Paragraphen nur nach Gutdünken befolgt, ist die Gefahr groß, dass das europäische Haus tiefe Risse bekommt, womöglich ins Wanken gerät.

Ökonomisch dürfte die gestrige Entscheidung kaum Schaden verursachen - auf kurze Sicht. Denn die Inflationsrate in der Eurozone ist niedrig, der Außenwert zum Dollar hoch. Eine höhere Verschuldung kann Europa folglich verkraften. Zumindest heute. Aber was ist in wenigen Jahren, in der nächsten Wirtschaftsflaute, wenn die Inflationsraten vielleicht höher liegen? Wer will Iren, Spaniern und Griechen dann zusätzliche Schulden zum Ankurbeln der Wirtschaft verbieten? Deutschland und Frankreich haben das Recht dazu seit gestern verloren. Stattdessen haben sie den Schuldenmachern von morgen die Türen weit geöffnet.