Die Berlinerin, die am 23. Mai erneut gegen Horst Köhler antreten will, stellte am Freitag ihre Sicht auf die Krise dar. Bilder zum Thema.

Berlin. Man weiß, dass die Kandidatin gerne SPD-Rot trägt, aber am Freitag hatte sie sich für Magenta entschieden. Die kühlere und, wenn man so will, neutralere Variante. Am Freitag war Gesine Schwan Gast der Bundespressekonferenz. Wohl um den Hauptstadtjournalisten zu zeigen, dass Horst Köhler nicht der Einzige ist, der etwas von der Sache versteht, die die Nation seit Wochen bewegt. Ihr Thema: "Die Finanzkrise - Ursachen und Auswege".

Es war zweifellos ein ungewöhnlicher Auftritt. Vor allem unter dem Aspekt, dass Schwan glaubte, ausgerechnet denen die Finanzkrise erklären zu müssen, die seit Wochen quasi über nichts anderes mehr schreiben. Die Ursachen der Finanzkrise, sagte Schwan, die am 23. Mai gegen Amtsinhaber Horst Köhler um das höchste Staatsamt kandidiert, reichten sehr viel tiefer, als man sie bisher diskutiert habe. In Wahrheit sei die Finanzkrise eine Kulturkrise. Die Institutionen der Managerausbildung seien zu "Karriere-Turbos verkommen", in denen nur das Funktionieren gelehrt werde. Anstelle der bisherigen Auslese müsse ein Bildungssystem vorangebracht werden, aus dem "von ganz alleine" Leistungsträger hervorgingen. "Wenn ich im Amt wäre", sagte die Politikwissenschaftlerin, "würde ich die, die für die Finanzkrise mitverantwortlich waren, zu Gesprächen einladen; sie bitten, ihre Fehler öffentlich zu erläutern."

Irgendwo da haben die meisten Kollegen ihre Stifte sinken lassen und Gesine Schwan im Weiteren zunächst erstaunt, dann aber auch etwas ermüdet zugehört. Die dann irgendwann selbst sagte, dass sie ihren Auftritt nicht zu einer Vorlesung ausarten lassen wolle.

In der Fragerunde wurde Gesine Schwan dann schnell mit der jüngsten Bemerkung von Franz Müntefering zum 23. Mai konfrontiert: "Wir wünschen uns, dass Gesine Schwan die nächste Bundespräsidentin wird", hatte der SPD-Parteivorsitzende gesagt, "aber die Bundespräsidentenwahl hat keine Bedeutung für die Frage, wer die Bundestagswahl Ende September gewinnt." Sie teile Münteferings Meinung, antwortete Schwan mit unerschütterlichem Lächeln, denn die Wähler seien durchaus in der Lage, das eine vom anderen zu trennen. Zu Spekulationen, ihre Wahl zum Staatsoberhaupt könnte als Signal für ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl gewertet werden, sagte die SPD-Politikerin, für ein solches Dreierbündnis sei die politische Schnittmenge zu klein.

Zweifellos glaubt die Berlinerin, die Köhler 2004 unterlag, an ihre zweite Chance. Sie habe ihre Möglichkeiten "immer als offen und gegeben eingeschätzt", sagte die 65-Jährige optimistisch. In der Bundesversammlung stellen Union und FDP zusammen 604 Wahlleute, genauso viele wie SPD, Grüne und Linkspartei. Dazu kommen 10 Freie Wähler und 6 "Sonstige". Im ersten bzw. zweiten Wahlgang brauchen Schwan oder Köhler mindestens 613 Stimmen. Im dritten reicht die einfache Mehrheit. Tatsächlich hätte Schwan also nur eine Chance, wenn neben SPD und Grünen auch die Linken sowie einige Abweichler aus dem Lager von Union, FDP und Freien Wählern für sie stimmen würden. Allerdings haben sich CDU/CSU, Liberale und Freie Wähler bereits klar für Köhler ausgesprochen.