Der in München wegen Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden angeklagte John Demjanjuk darf doch nach Deutschland ausgeliefert werden. Ein Gericht im US-Staat Virginia hob am Montag eine Entscheidung auf, die Ende vergangener Woche Demjanjuks Abschiebung in letzter Minute gestoppt hatte.

München. Der 89-Jährige kann gegen die Regelung bis Mittwoch Berufung einlegen. Sein Anwalt John Broadley will jedoch nach Informationen des "Spiegels" am Dienstag den Ausschuss für Einsprüche in Einwanderungsfragen in den USA anrufen.

Das Nachrichtenmagazin zitierte Broadley mit den Worten, das Problem sei, dass er sich zuerst an die falsche Instanz gewandt habe. Er rechne damit, dass der Ausschuss nun als erstes entscheide, ob die Abschiebung noch weiter ausgesetzt werden könne. Gegen den staatenlosen Demjanjuk besteht seit März ein Haftbefehl.

Broadley will sich vor dem Ausschuss darauf berufen, dass seinem Mandanten in Deutschland "Folter" drohe, weil die deutsche Justiz den alten und kranken Mann einem Prozess aussetzen wolle. Dies sei eine Neuentwicklung, die die Richter des Ausschusses noch nicht hätten berücksichtigen können, als sie 2006 Demjanjuks Einsprüche abgelehnt hatten. Mit dieser Argumentation will der Anwalt eine Wiedereröffnung des Verfahrens erreichen.

Vergangene Woche beantragte Demjanjuk Asyl in den USA und gab an, der Flug nach Deutschland würde ihn "schweren körperlichen und geistigen Schmerzen aussetzen, die nach einer vernünftigen Definition dieses Ausdrucks eindeutig auf Folter hinauslaufen". Er leidet nach Angaben seines Anwalts an einer frühen Form von Leukämie und ist nierenkrank.

Im Sommer 1943 soll der Ukrainer, der damals noch Iwan Demjanjuk hieß, als Aufseher im Vernichtungslager Sobibor in Polen daran beteiligt gewesen sein, die Menschen von den Zügen direkt in die Gaskammern zu treiben.

Demjanjuk war nach dem Krieg in einem bayerischen Flüchtlingslager untergetaucht und 1952 in die USA ausgewandert. Er erhielt 1958 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie wurde später aberkannt. 1986 lieferten ihn die USA an Israel aus. 1988 wurde er wegen Verbrechen als "Iwan der Schreckliche" im Vernichtungslager Treblinka zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof in Israel hob das Urteil jedoch 1993 auf, weil die Identität nicht sicher geklärt werden konnte.