Immer weniger Ärzte haben Lust auf die Bundeswehr. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), spricht im Jahresbericht 2008 von einer regelrechten “Ärzteflucht“.

Berlin. Immer weniger Ärzte haben Lust auf die Bundeswehr. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), spricht im Jahresbericht 2008 von einer regelrechten "Ärzteflucht". Allein im vergangenen Jahr habe es fast 100 Kündigungen von Sanitätsärzten gegeben, sagte Robbe am Donnerstag bei der Vorstellung seines Berichts in Berlin. Darüber hinaus gäben die deutlichen Anzeichen einer vermehrten "inneren Kündigung" Anlass zu ernsthafter Sorge. "Aus meiner Sicht ist die Motivation der Ärzte in der Bundeswehr in erschreckendem Ausmaß 'gekippt'", schreibt Robbe in seinem Bericht weiter, das liege vor allem an den mangelnden beruflichen Perspektiven.

Aber es mangelt der Bundeswehr nicht nur an Medizinern, sondern offenbar auch an Motivation. Grund dafür: die "überbordende" Bürokratie. "Wir müssen gegen die Vorschriften arbeiten, um den Laden am Laufen zu halten", habe ihm ein Offizier gesagt, berichtete Robbe gestern. Ein anderer habe geklagt: "Seit Jahren machen wir Verbesserungsvorschläge, von denen man nie wieder etwas hört!" Piloten würden sagen: "Unsere Flugzeuge sind technisch ausgezeichnet" - aber die Funkgeräte seien so alt, dass es dafür eine Abwrackprämie geben müsste. Mal müssten die Soldaten 45 Kilometer zur Schwimmausbildung fahren, in anderen Fällen gelinge es nicht, Soldatenehepaare an einem Dienstort zusammenzuführen. Und Robbe sieht noch andere Probleme bei der Vereinbarkeit von Dienst und Familie. Er fordert deshalb, mehr Kindertagesstätten zu schaffen und flexible Arbeitszeitmodelle zu fördern. Ferner müssten die Kommunikationsmöglichkeiten deutlich verbessert werden. Es sei nicht akzeptabel, dass die Klagen über unzulängliche Telefon- und Internetverbindungen seit dem ersten Auslandseinsatz 1995 in Bosnien-Herzegowina zugenommen hätten. Die Betreuung traumatisierter Soldaten sei ebenfalls nicht ausreichend.

Ein zentrales Problem sei die Unterfinanzierung der Streitkräfte, betonte Robbe. Daher führe kein Weg an einer angemessenen Erhöhung des Verteidigungsetats vorbei. Um ihren Verpflichtungen nachzukommen, benötige die Bundeswehr optimal ausgebildete und motivierte Soldaten, sagte Robbe. Stattdessen seien die Soldaten in Afghanistan frustriert gewesen, weil das Mandat zu knapp bemessen gewesen sei. "Statt die Aufstockung der Obergrenze frühzeitig bei den politisch Verantwortlichen vorzubringen, wurden deutsche Soldaten vorübergehend in die Heimat ausgeflogen", kritisierte Robbe. "Hierfür hatten die Soldaten schon sarkastisch das Wort 'Obergrenzenurlaub' geprägt".

Grundsätzlich wünsche er sich auch mehr Interesse in der Öffentlichkeit für die Auslandseinsätze und die Bedingungen, unter denen die Soldaten dort Dienst täten. Der Wehrbeauftragte fügte hinzu, wenn ein Soldat sechs Wochen auf Ersatz für seine kaputten Stiefel warten müsse oder von der gelieferten Uniform eines Kommandeurs Knöpfe abfielen und Nähte aufgingen, sei das nicht vereinbar mit den Ansprüchen einer modernen Armee.