Das Bündnis soll besser mit der EU, der Uno und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten.

Berlin. Eine Woche vor dem Nato-Jubiläumsgipfel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen "revolutionären" Wandel der Militärallianz verlangt. Das Bündnis müsse künftig stärker mit zivilen Organisationen kooperieren, sagte Merkel gestern in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Zugleich deutete sie überraschend an, dass Washington sie noch nicht über das neue Afghanistan-Konzept der USA informiert habe.

Sie erwarte von dem Gipfel am 3./4. April in Straßburg, Baden-Baden und Kehl "Aufschlüsse über die neue Strategie der US-Regierung für Afghanistan", sagte Merkel. Mit Blick auf mögliche Forderungen der USA, den Einsatz in Afghanistan auszuweiten, sagte die Kanzlerin: "Mit den Leistungen seit 2002 können wir Deutschen uns im Bündnis wirklich sehen lassen." Sie kündigte an, dass sie den deutschen Einsatz beim Gipfel "mit allem Nachdruck darlegen" werde. Die USA hatten kürzlich die Erhöhung der Zahl der afghanischen Sicherheitskräfte auf insgesamt 400 000 Mann (bisher 265 000 geplant) verlangt. Um das zu gewährleisten, müssten die Bündnispartner die Zahl der Ausbilder und ihre Hilfen für den afghanischen Staatshaushalt massiv erhöhen.

Merkel sagte: "Deutschland hat der Nato und der Solidarität der Verbündeten viel zu verdanken." Sie sprach sich aber für eine Abkehr von einer primär militärischen strategischen Ausrichtung der Nato aus. Der Einsatz in Afghanistan zeige, dass militärische Operationen und zivile Aktivitäten des Wiederaufbaus im Sinne des deutschen Konzepts der vernetzten Sicherheit verbunden werden müssten. Dabei könne die Nato nicht die Aktionen bestimmen. Nötig sei die Kooperation mit der Uno, der Europäischen Union (EU) und Nichtregierungsorganisationen. "Das hört sich einfach an, ist aber vergleichsweise revolutionär."

Das gegenwärtige Konzept der Nato wurde 1999 zum 50. Geburtstag des Bündnisses entwickelt. Beim Gipfel in Straßburg soll eine neue Strategie in Auftrag gegeben werden, die dann zum nächsten Treffen der Allianz vorgelegt werden soll. Seit den Terroranschlägen auf die USA, nach denen die Nato erstmals den Bündnisfall ausrief, seien Einsätze der Allianz außerhalb des Bündnisgebiets "operative Realität", sagte Merkel. Daran müsse die neue Strategie angepasst werden. Gleichzeitig setzte die Kanzlerin sich für Präventionsmaßnahmen ein, um einen Militäreinsatz zu vermeiden. Bedingungen für einen Kriegseinsatz nannte sie nicht.

Merkel warnte aber vor einer "globalen Nato". Es gehe eher um die Aufnahme europäischer Demokratien, die gewillt und fähig seien, zur gemeinsamen Sicherheit beizutragen. Ausdrücklich bekräftigte Merkel die Perspektive der ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine auf einen Beitritt, was Russland aber als Eingriff in seinen Einflussbereich vehement ablehnt.

FDP und Grüne riefen Merkel auf, sie solle die neue Offenheit der USA und die Chance für eigene Vorschläge erkennen. Für Aufregung sorgten Linke-Abgeordnete, die den Slogan "No NATO No WAR" (Keine Nato, kein Krieg) abbildeten und damit gegen Beschränkungen von Demonstrationen beim Nato-Gipfel protestierten, der von 14 000 Polizisten gesichert werden wird.