Norbert Blüm ist richtig sauer. Auf seinen Nachfolger Walter Riester (SPD) im Amt des Arbeitsministers und auf dessen Idee der Riesterrente. Er ist...

Hamburg. Norbert Blüm ist richtig sauer. Auf seinen Nachfolger Walter Riester (SPD) im Amt des Arbeitsministers und auf dessen Idee der Riesterrente. Er ist sauer auf den Finanzmarkt und die kapitalgedeckten Zusatzrenten. Und auch ein bisschen sauer auf all die Menschen, die nun seit ein paar Jahren riestern und zusätzliche Versicherungen abgeschlossen haben, um für ihr Alter vorzusorgen. Vermutlich trauen sie der gesetzlichen Rente nicht. Sie glauben vielleicht nicht, dass ihre Rente sicher ist. Darum ist Norbert Blüm so sauer. Im Hamburger Gewerkschaftshaus des DGB gibt sich der CDU-Politiker vor gut 150 Rentnern seinem Zorn hin. "Die Rente ist sicher!", ruft er bei seiner Rede und fügt kämpferisch hinzu: "Ich bleibe bei meinem Satz!"

Der einstige Wahlkampfslogan der sicheren Rente - er stammt aus dem Jahr 1986 - ist längst mehr als "sein Satz". Er ist Blüms politisches Vermächtnis, und Blüm tut in Hamburg nichts anderes, als um dieses Lebenswerk zu kämpfen. Dass die Riesterrente vom gesetzlichen Rentensystem mitfinanziert wird, nennt er "ein Stück aus dem Tollhaus". Dass die Riesterrente das Rentenniveau bestimmt, ist für ihn "Solidarität für Geisterfahrer". Dass die Schwachen seiner Meinung nach für die Starken zahlen - "ein Sittenverfall des Sozialstaats". Und um noch ein für alle Mal deutlich zu machen, wie er dieses Riestern findet, sagt er: "Wer hat, dem wird gegeben. Wer nichts hat, der kriegt 'nen Arschtritt." Die Zuhörer im Saal sind begeistert. "Nobbi"- und "Jawoll"-Rufe begleiten den Auftritt des Gastes aus Bonn. Fast scheint es, als könne Norbert Blüm seinen Zuhörern aus der grollenden Seele sprechen. Er kennt nun mal die Rentnersorgen zu gut: Zeit seines Politikerdaseins beschäftigte sich Blüm mit dem Leben nach der Erwerbstätigkeit. Und heute, elf Jahre nach seinem Abgang als Arbeits- und Sozialminister und mit 73 im besten Rentenalter, reist er noch immer durch die Lande. Der Mann, der 16 Jahre lang Helmut Kohls Kabinett angehörte, tritt inzwischen bei Quizshows und Volksmusiksendungen auf, ab und zu auch in Talkshows. Nach seiner Ministerzeit schrieb er Kinderbücher und ging mit dem früheren "Tatort"-Kommissar und jetzigen Linken-Präsidentenkandidaten Peter Sodann auf Kabarett-Tournee. Doch wann immer es politisch wird, geht es Blüm um die Rente. Dann kennt er auch kein Erbarmen mit denjenigen, die das Umlagesystem madig machen und das Loblied auf die Lehre der Kapitaldeckung singen. "Die haben euch verarscht!", ruft er den Rentnern zu. Blüm meint die Versicherer. "Wir privatisieren das Letzte, was die Haifische noch nicht haben: die soziale Sicherheit."

In einem Punkt hat auch ein Norbert Blüm keine Antwort parat, keinen flotten Spruch oder eine geistreiche Einordnung: die Krise. Sie kennt keinen Vergleich. Erst ergriff sie den Finanzmarkt, dann die Wirtschaft, jetzt die Arbeitnehmer. Und bald die Rentner? Schließlich sind auch die sozialen Sicherungssysteme von der abstürzenden Konjunktur betroffen. Blüm sagt: "Es wird nicht mehr so sein, wie es vorher war." Und er mahnt: Der Sozialstaat, der dürfe nie geopfert werden, sagt der Ex-Minister und nennt dafür gute Grunde: "Der Sozialstaat ist ein Konjunkturprogramm. Die Rentner geben ihr Geld doch aus!"

Und schon ist Blüm wieder bei seinem ureigenen Thema. Gerade jetzt in der Krise biete das umlagefinanzierte System den Halt, den die Kapitalmärkte verspielt hätten, meint er. "Ein genialer Gedanke" sei das doch, dieser Generationenvertrag. Das sei Solidarität, und deswegen müsse die gesetzliche Rente verteidigt werden, sagt Blüm, "mit allen Mitteln".