Der Parteichef mimt den Wegweiser für die Große Koalition. Von schlechten Umfragen lässt er sich nicht irritieren.

Wildbad Kreuth. Der Tag ist weiß-blau getüncht. Der Himmel wolkenlos, der Boden schneebedeckt, und die CSU weiß gar nicht wohin mit ihrer Harmonie. An diesem malerischen Wintertag könnte man glauben, Wildbad Kreuth in den Bayerischen Alpen sei schon immer dieser friedliche, heimelige Ort gewesen, der er an diesem ersten Tag der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe zu sein scheint. Schon gut eine Stunde, nachdem sich die CSU-Bundestagsabgeordneten in den herrschaftlichen Räumen der früheren Badeanstalt zusammengefunden haben, ist die spannendste Frage geklärt: Horst Seehofer, der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident, will Landesgruppenchef Peter Ramsauer als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl vorschlagen. Mit der Entscheidung hat Seehofer sich Zeit gelassen und in Kauf genommen, dass Ramsauer dadurch parteiintern geschwächt wirkte. Doch das Thema - so ist Seehofers schnelles Bekenntnis zu deuten - soll Kreuth gar nicht erst beschäftigen.

Der Ort mag legendär sein für seine Meuterer und Maulhelden, für seine Kabalen und Komplotte.

Diesmal jedoch, im Krisenjahr 2009, geht es der CSU um Größeres, um Steuersenkungen, und hier hat sich Seehofer offenbar auch schon durchgesetzt. Erst gegen die große Schwester CDU und nun auch gegen die SPD. Ob er sich als Gewinner fühle, fragt eine Reporterin den Ministerpräsidenten draußen im Schnee. Seehofer schüttelt lächelnd den Kopf. "Und wenn es so wäre, würde ich es nicht sagen." Die Stärke des CSU-Chefs scheint in diesen Tagen kaum Grenzen zu kennen. Der 59-Jährige hat sich warmgelaufen in der Rolle des Wegweisers für die gesamte Koalition. Er greift an, wo er nur kann. Es sind die kleinen Triumphe, die Seehofer zuletzt stark gemacht haben. Etwa das Durchsetzungsvermögen der CSU bei der Erbschaftssteuerreform. Dann die Drohung, das zweite Konjunkturpaket scheitern zu lassen, sollten CDU und SPD nicht sofortigen Steuersenkungen zustimmen. Und dann am vergangenen Wochenende die Warnung an die Union, den Bundestagswahlkampf nicht nur auf Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zuzuschneiden. Auch mit einem eigenen CSU-Programm im Bund anzutreten, hat der Parteichef schon laut überlegt. Seehofer rebelliert und opponiert auf Bundesebene, als ob seine CSU noch immer die Partei sei, die sie zuletzt unter Edmund Stoiber war - die mit dem selbstverständlichen 50-Prozent-plus-x-Anspruch. Dass sie aber noch längst nicht zur alten Stärke zurückgekehrt ist, verdeutlicht eine Umfrage, die der Sender Sat.1 ausgerechnet gestern veröffentlichte: Demnach liegt die CSU noch weit von der 50-Prozent-Marke entfernt. Würde am Sonntag in Bayern gewählt, kämen die Christsozialen auf gerade mal 45 Prozent. Im Falle einer Bundestagswahl würden rund 48 Prozent der Bayern für die CSU stimmen.

Seehofer lächelt die Umfrage einfach weg. "Ein leichter Fortschritt" sei das doch, sagt er. Der Habitus der Alleinherrschaft hat die Partei anscheinend nicht verlassen - oder besser: Seehofer hat ihn in kürzester Zeit einfach wieder eingeführt. Als ob es den 28. September 2008 nie gegeben hätte, diesen denkwürdigen Tag der Wahlniederlage, der der CSU im Landtag miserable 43,4 Prozent bescherte, sie aus 46 Jahren absoluter Mehrheiten herausriss und in die Zwangsehe mit der FDP schickte. Und als ob auch die persönlichen Niederlagen und Dämpfer der erst gut zwei Monate währenden Amtszeit als CSU-Alleinherrscher bei Seehofer nie angekommen seien: Denn ausgerechnet bei der Erbschaftssteuerreform musste Seehofer sich der FDP beugen und sich im Bundesrat der Stimme enthalten. Und sein Versuch, die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier als Spitzenkandidatin für die Europawahl im Juni zu installieren, scheiterte kläglich am Widerwillen der Basis.

Aber in Kreuth, dort, wo die CSU sich programmatisch für die kommenden Monate aufstellt, also das große Ganze im Fokus steht, will Seehofer die Kollateralschäden seiner Anfangswochen am liebsten ausblenden. In Kreuth geht es nun um die größtmögliche Durchsetzungskraft für das Superwahljahr - und zuallererst um die sichtbare CSU-Handschrift beim 50 Milliarden Euro starken zweiten Konjunkturpaket. Am kommenden Montag werden es die Koalitionsspitzen aushandeln. Als einziger Ministerpräsident sitzt mit am Tisch: Horst Seehofer.